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Ein guter Name und eine gute Portion Naivität

■ Der Sohn von Max Reinhardt will in Ostberlin ein profitables Max-Reinhardt-Haus ins Leben rufen

Die berühmte Weidendammer Brücke am Bahnhof Friedrichstraße, wo Pünktchen und Anton ihre Dummheiten trieben und dabei doch das Richtige taten, soll zwei lange Jahre für den Verkehr gesperrt bleiben; alltägliches Verkehrschaos. Der grotesk-häßliche Bau des Friedrichstadtpalastes am Rande des Verkehrsstroms schluckt am frühen Abend die vom Bahnhof Friedrichstraße kommenden Fußgänger. Das ehemalige DDR-Revuetheater mit dem rein äußerlichen Charme eines rohen Betonklotzes, dem man einen kümmerlichen Fassadenschmuck und braun getönte Spiegelglasscheiben vor die Front gesetzt hat, ist immer noch ein Publikumsmagnet. Schräg gegenüber, gleich hinter der Brücke, residiert das Berliner Ensemble. Davor liegt ein großer Platz brach, ein Arreal von fast 6.000 Quadratmetern, auf dem das alte Friedrichstadtpalais stand. Vor ein paar Jahren wurde das alt gediente Gebäude abgerissen, das einst den Zirkus Schumann beherbergte und von Max Reinhardt 1919 zum Großen Schauspielhaus umgebaut wurde.

Reinhardt war ja nicht nur einer der bedeutendsten Regisseure der Stadt, sondern auch Theaterunternehmer: Fünf Theater gehörten ihm in Berlin, am Großen Schauspielhaus war er mit seiner Nationaltheater AG mit 75Prozent beteiligt. 1933 wurde Reinhardt enteignet, 1938 ging er ins Exil nach Amerika. Die Grundstücke im Ostteil der Stadt gingen in Staatsbesitz der DDR und neuerdings der Stadt Berlin über.

Max Reinhardt starb 1943 in Amerika; einer seiner beiden Söhne, Gottfried, 1913 in Berlin geboren, lebt heute in Los Angeles als Film- und Theaterregisseur. Aus Amerika importiert er auch seine Ideen und Ansichten: etwa, daß das deutsche Theater übersubventioniert sei und daß Kultur und Kommerz sich befruchten können. So plant der Erbe auf dem Grundstück, das im neuen Berlin in exquisiter Lage liegt, ein Max-Reinhardt-Zentrum, das ein Max-Reinhardt-Archiv mit den verstreuten Briefen und Notizen, ein kleines Privattheater, natürlich auf den Namen des großen Theatermannes lautend, sowie ein Max-Reinhardt-Seminar beherbergen soll. Und noch viel mehr: ein Filmforum, eine Galerie, Büroräume, ein Fitneßzentrum und ein Hotel, die allesamt von der Ausstrahlung des guten Namen „Max Reinhardt Haus Berlin“ profitieren sollen.

Um seinen Plan realisieren zu können, hat sich Reinhardt junior mit der Frankfurter Advanta Management AG zusammengetan, einer Immobilienentwicklungsgesellschaft, die als Investor für das kostbare Stück fungieren soll. Über das Mischungsverhältnis von kommerziellen und kulturellen Einrichtungen wollten die Vertreter von Advanta Management bei einer Pressekonferenz vergangene Woche keine näheren Angaben machen; sie zauberten aber einen Namen aus dem Hut, den des New Yorker Architekten Peter Eisenmann, der früher bereits an der Berliner IBA teilgenommen hat. Er will Ende September seinen Entwurf für das Reinhardt-Haus der Öffentlichkeit präsentieren.

Die Pressekonferenz des Reinhardt-Sohns Anfang dieser Woche in Berlin fiel in das Sommerloch. Einige Zeitungen stürzten sich auf den Reinhardt-Projekt, das nicht ganz ohne Brisanz ist. Die neue Reinhardt-Gedenkstätte wird ganz in der Nähe des Deutschen Theaters in der Schumannstraße liegen, wo Max Reinhardt von 1905 bis 1920 Direktor war und das heute von Thomas Langhoff erfolgreich geleitet wird. Gottfried Reinhardt beziehungsweise die Reinhardt-Erbengemeinschaft erhebt zwar keinen Anspruch auf das renommierte Deutsche Theater (es soll einen Brief Reinhardts an Goebbels aus dem Jahr 1938 geben, in dem er seinen ehemaligen Besitz dem deutschen Volk anheimgibt; von dem Brief existiert jedoch kein Original), aber angeblich wurde es ihm verwehrt, dort seine Pressekonferenz abzuhalten. Zu den Gründen antwortete Reinhardt ausweichend; den jetzigen Intendanten kenne er nicht persönlich. Ein ganz banaler Grund liegt auf der Hand: auch dort sind Theaterferien.

Vieles an dem Reinhardt-Advanta-Projekt erscheint unklar, es mag aus einem sentimentalen Beweggrund des Reinhardt-Sohns rühren (er hat bereits eine Biographie geschrieben und einen Film über seinen Vater gemacht), der auch die sterblichen Überreste seines Vaters nach Berlin überführen lassen will.

Wie eine Mitarbeiterin der Berliner Kulturverwaltung sagte, sei ihres Wissens bislang weder der Anspruch der Reinhardt-Erbengemeinschaft auf das Grundstück geprüft worden noch sei klar, ob sich das Archiv überhaupt realisieren lasse. Denn Reinhardt junior hat die Rechte an den Reinhardt-senior-Notaten längst an eine amerikanische Universität verkauft. Die müssten erst zurückgekauft werden. Sabine Seifert

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