: Flußimperialismus am Euphrat
Euphrat-Staudamm in der Türkei: Ministerpräsident Demirel reklamiert das Eigentum des Wassers für sein Land — zum Ärger Syriens und Iraks/ „Sie haben die Ölquellen“ ■ Von Karim el-Gawhary
Kairo (taz) — Der vor kurzem eröffnete Atatürk-Staudamm in der südlichen Türkei ist der viertgrößte Staudamm der Welt. Er staut die Wasser des Euphrat, dessen Quellen in Ostanatolien liegen. Dort träumt die türkische Regierung davon, mit dem Bauwerk ein „Kalifornien des Südostens“ zu entwickeln.
Der insgesamt 2.700 Kilometer lange Euphrat erstreckt sich zu nur etwa einem Drittel durch die Türkei. Den Rest teilen sich Syrien und Irak, die sich nun in ihrer Existenz bedroht fühlen. Verkündete doch der türkische Ministerpräsident Demirel vor einer Woche, daß die Türkei die Souveränität über das gesamte Wasser der Flüsse besitze, die von ihrem Boden ausgehen. Weder Syrien noch der Irak hätten irgendein Recht darauf: „Die Türkei besitzt die Wasserquellen, und sie haben die Ölquellen. Wir sagen auch nicht, daß wir mit ihnen das Öl teilen müssen; also können sie nicht verlangen, daß sie mit uns das Wasser teilen.“
Die Reaktion aus Damaskus auf Demirels Äußerungen ließ nicht lange auf sich warten. „Wir versichern, daß Syrien nicht das Recht genommen werden kann, das Wasser des Euphrat und des Tigris zu nutzen. Die Nutzungsrechte sind durch Verträge und internationales Recht abgesichert“, hieß es in der syrischen Hauptstadt. Syrien beruft sich bei seinen Ansprüchen auf bereits abgeschlossene Verträge. In einem Protokoll einigten sich die drei Anliegerstaaten im Juni 1987 über die Verteilung des Euphrat-Wassers während der Zeit, in der der Atatürk-Damm aufgefüllt wird. Ergebnis: Die Türkei muß an der syrischen Grenze 500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde garantieren. Falls das aus technischen Gründen nicht möglich ist, muß Ankara die Differenz spätestens im darauffolgenden Monat ausgleichen. Im April 1990 kamen dann Syrien und der Irak überein. Seitdem steht Syrien 58 Prozent und dem Irak 42 Prozent des übrigen Wassers zu.
Außerdem, so argumentiert Syrien, stünden die Äußerungen Demirels im Widerspruch zum Internationalen Recht. Bei dem Euphrat handele es sich um einen internationalen Fluß, und sein Wasser solle auf gerechte und vernünftige Weise verteilt werden. „Wir haben noch nie gehört, daß ein Staat unter dem Slogan der nationalen Souveränität seinem Nachbarn droht, das Wasser abzudrehen“, schreibt die Zeitung Tischrin. Syrien und dem Irak das Bewässerungs- und Trinkwasser zu verweigern — das sei so, wie wenn man Ägypten das Wasser des Nils vorenthalte.
Tischrin entdeckt überdies auffällige Überschneidungen in den Worten Demirels mit Äußerungen des jetzigen israelischen Außenministers Schimon Peres. Auch der hatte verkündet, daß Israel das Recht auf das Wasser der Region habe, weil die Araber schließlich den Ölschatz besäßen. Spätestens bei Beginn der Wasserkonferenz im Rahmen der multilateralen Nahostgespräche werden sie alle wieder zusammenkommen, ironischerweise womöglich unter dem Vorsitz der Türkei. Die letzten Gespräche dieser Art vor zwei Monaten in Wien gingen ohne Ergebnisse zu Ende.
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