: Ruß statt Rouge
■ Tamara Heller fegt als erste Bremer Schornsteinfeger-Gesellin über Vegesacker Dächer
Im schweren, rußgeschwärzten Anzug, ein kesses schwarzes Mützchen auf dem Kopf und den unverkennbaren Fegebesen in der Hand, so stiefelt die frisch gebackene Bremer Schornsteinfegerin Tamara Heller durch die Hansestadt: seit Juli fegt die erste ausgelernte weibliche Glücksbringerin als Gesellin in Bremen-Nord.
„Die Leute freuen sich und sind richtig begeistert, wenn sie mich sehen“, schwärmt die 20jährige über ihren Berufsalltag. „Allein an einem Tag erlebe ich so viele schöne Geschichten, daß ich mich einfach gut fühle.“ KundInnen öffnen entzückt ihre Tür, versorgen sie mit Kaffee und allerlei Neuigkeiten. Kinder wie Erwachsene winken ihr auf der Straße zu und fragen nicht selten: „Oh, darf ich Sie mal anfassen?“ Denn ein bißchen Ruß aus dem Schornstein von der Jacke der Schornsteinfegerin abzuwischen, das gilt noch immer als zweifellos positiv für den Verlauf des Schicksals.
„Der Glaube, daß Schornsteinfeger Glück bringen, stammt noch aus dem Mittelalter“, weiß Tamara Heller, „damals gerieten Schornsteine noch oft in Brand und halbe Dörfer oder Städte fielen dem Feuer zum Opfer. Das Schornsteinfegen konnte solche Brände oft verhindern, und deshalb sahen die Leute in Schornsteinfegern Glücksbringer.“
Auf die Idee, statt Kindergärtnerin oder Arzthelferin lieber Besen und Kugel in den dunklen Schlund der Schornsteine herabzulassen, kam Tamara Heller durch ihren älteren Bruder, der ebenfalls durch Bremen fegt. „Die Stories, die er jeden Tag zu Hause erzählte, haben mir so gut gefallen, daß ich während meiner Schulzeit ein Praktikum bei einem Schornsteinfeger machte“, erzählt sie. Und dabei blieb sie dann auch: „Es macht einfach riesigen Spaß.“
„Meine Schulfreundinnen fan
Freie Zeiteinteilung, gute Bezahlung — ein idealer FrauenberufFoto: privat
den die Idee, Schornsteinfegerin zu werden, witzig“, sagt sie. Inzwischen dürfte ihnen das Lachen allerdings vergangen sein. Im Gegensatz zu ihrer Freundin, die Reno-Gehilfin wurde und bei schlechter Bezahlung oft vor 20 Uhr nicht nach Hause kommt, hängt Tamara um zwei Uhr nachmittags ihre Rußklamotten an den Nagel. Nach drei Jahren Lehrzeit verdient sie nun als Gesellin satte
hier bitte die
Schornsteinfegerin
2.200 Mark netto.
„Ich hätte auch keine Lust, mich schon frühmorgens in Schale zu werfen, um zur Arbeit zu gehen“, meint die Schornsteinfegerin. Ruß statt Rouge im Gesicht machen ihr nichts aus, und auf lange Fingernägel konnte sie schon immer verzichten. Schwindelfrei und etwas sportlich muß frau schon sein, um sich auf den Dächern Bremens umzutun. „Auch als Mädchen wurde ich in meinem Lehrbetrieb nicht geschont.“
Tamara Heller war der erste weibliche Schornsteinfeger-Lehrling in Bremen, doch inzwischen gibt es drei weitere junge Frauen, die in der Hansestadt den Männerberuf erlernen. Nur die Schornsteinfegerinnung ist darauf noch nicht so recht eingestellt. Würde die Gesellin ein Kind bekommen, sähe es mit dem Schwangerschaftsschutz schlecht aus. Der einzelne Meisterbetrieb verkraftet den Ausfall nicht, und die Schornsteinfegerinnung hat sich bisher noch nicht überlegt, wie sie betroffenen Betrieben unter die Arme greifen könnte.
Ganz anders sieht es für eine Schornsteinfegermeisterin aus. „Dann kann ich mir die Arbeit frei einteilen und organisiere vieles von zu Hause aus. Das ist sehr praktisch für Frauen mit Kindern.“ Wenn für Tamara Heller alles läuft wie geplant, wird sie sicher auch Bremens erste Schornsteinfegermeisterin werden; freie Zeiteinteilung, gute Bezahlung — der ideale Frauenberuf. Silke Mertins
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