Dreiste und nervenstarke Einbrecher

■ Polizei und Versicherer geben Tips zur Prävention / Moderne Kunststoff-Fenster sind für geübte Einbrecher kinderleicht zu knacken / Zusätzliche Schutzvorrichtungen und Bewegungsmelder müssen nicht...

/ Moderne Kunststoff-Fenster sind für geübte Einbrecher kinderleicht zu knacken / Zusätzliche Schutzvorrichtungen und Bewegungsmelder müssen nicht teuer sein

Hamburgs Polizei setzt bei der Einbruchsbekämpfung auf Prävention. „Das Fenster muß keine Schwachstelle sein.“ Unter diesem Motto begann gestern eine Kampagne, um die Bevölkerung über mögliche Sicherungsmaßnahmen an ihren Domizilen zu informieren. Denn ist die Bude erstmal ausgeräumt, gibt es für die Einbruchsfahnder nur wenige Anhaltspunkte, die geklauten Sachen oder den Täter aufzuspüren.

Tatort Langenhorn: Drei nächtliche Einbrüche sind dem zuständigen Einbruchsdezernat des Kriminalkommissariats (KK 34) an einem Morgen gemeldet worden. Für Einbruchsfahnder Hans Sommer geht es zunächst zum Einzelhaus von Elke Schmidt*. Sie hatte in der

Nacht Geräusche am Toilettenfenster, danach am Küchenfenster gehört. „Ich dachte zuerst, es sei die Nachbarskatze.“ Erst als in der Küche eine Melone zu Boden fiel, sei sie aufgeschreckt. Ein junger, dunkelgekleideter Mann stand in ihrem Flur. „Vor Angst bin ich hinten durch die Veranda-Tür in den Garten gelaufen.“ Der Täter, der mit einem „Schraubendreher“ genau am richtigen Punkt angesetzt, das aufgeklappte Küchenfenster aus der Verankerung gehebelt hatte, flüchtete ohne Beute.

Für Hans Sommer ist an diesem Tatort nicht viel zu holen. Selbst der Fußabdruck auf der Küchenanrichte ist nicht zu verwerten. Lediglich die Art und Weise des Einbruchs lassen bedingt Rückschlüsse zu. Sommer: „Typische Arbeitsweise von Jugoslawen“.

Einen Straßenzug weiter — vielleicht war's der gleiche Täter — ist ein Einbrecher fündig geworden. Auch hier war geschickt mit einem

Schraubendreher die aufgeklappte Gartentür aus der Verankerung gehebelt worden. Das Pärchen Kirsten und Werner Winter* hatten von dem nervenstarken Einbrecher nichts bemerkt. Auch die beiden Kinder im ersten Stock hatten fest geschlummert. Zuerst hatte der Täter seelenruhig das Wohnzimmer durchsucht, war dann an das Bett des Ehepaares gegangen und hatte aus den abgelegten Klamotten zwei Geldbörsen herausgezogen. Werner Winter: „Es ist schon ein blödes Gefühl, wenn man weiß, ein Einbrecher hat neben einem am Bett gestanden.“ Damit nicht genug: Im Flur nahm er noch die Handtasche von Kirsten Winter an sich, ließ sie aber mangels Beute in der Küche liegen, nahm dann noch

aus dem Klo eine Schatulle mit, in der sich allerdings kein Schmuck, sondern nur Toiletten-Utensilien befanden.

Auch hier bleibt für den Kripobeamten Sommer nichts anderes übrig, als den Einbruch aufzunehmen und darauf hinzuweisen, daß das Aufknacken von handelsüblichen Klappfenstern mit „Rollenverschlüssen“ für geschulte Einbrecher ein Kinderspiel ist. Sommer: „Die Rollen liegen oftmals nicht richtig in der Verriegelung.“ Außerdem brechen die Sicherungen aus Gußeisen leicht heraus. Hans Sommer kann das Ehepaar Winter allerdings in einem Punkt beruhigen: „Auch wenn Sie das Fenster nachts zugemacht hätten: Es ist relativ einfach, mit Kraft eine solche Tür aufzuhebeln.“ Sommer empfiehlt dem Ehepaar, für das von der Straße abgelegene Haus einen Bewegungsmelder anzuschaffen, der Erschütterungen im Umkreis von 15 Meter registriert und dann automatisch das Licht anschaltet. Sommer: „So ein Gerät gibt es schon ab 90 Mark, und Einbrecher scheuen nun mal das Licht.“ Spuren? Auch hier nicht. Sommer: „Der Spurenträger ist wegen der rauhen Oberfläche ungeeignet.“

Anders eine Straße weiter, wo bei Karin Frühling* eingebrochen worden ist. Auch sie hatte bei offener Schlafzimmer-Tür geschlafen, als sie vom Wohnzimmer her den ungebetenen Besuch bekam, ihn aber nicht bemerkte. Hans Sommer bestellt in diesem Fall einen Kollegen von der Spurensicherung, weil am Kunststoff-Fensterrahmen womöglich Fingerabdrücke vorhanden sind. „Beim Einsteigen muß sich der Täter zwangsläufig am Rahmen festhalten.“ Dennoch ist es fraglich, ob der Abdruck später den Anforderungen der Gerichte standhält. Denn bei einem Fingerabdruck müssen laut Sommer mindestens zwölf von 16 Merkmalen erfüllt sein.

Wenn keine Fingerabdrücke vorhanden sind, ist vor allem eine genaue Beschreibung des „Stehlguts“ (Polizeijargon) für die Fahnder ein wesentliches Element, einen möglichen Einbruchdiebstahl aufzuklären. Im Rahmen einer Inpol-Anfrage können gestohlene Gegenstände — sofern sie Gerätenummern haben — innerhalb weniger Sekunden abgefragt und zugeordnet werden. Aber auch die Einbrecher werden immer cleverer, indem sie bei gestohlenen Fernsehern die Gerätenummern entfernen.

Und auch kriminaltechnische Untersuchungen (KTU) sind nur in Ausnahmefällen möglich. Sommer: „Wir hatten kürzlich eine Tageseinbruchsserie, bei der der Täter immer wieder die Profilzylinder herausgebrochen hat. Die Zylinder sind alle von der KTU untersucht worden. Wird das Einbruchswerkzeug aufgefunden, läßt es sich mit den Spuren vergleichen. Bei Übereinstimmung ist der Täter unweigerlich dran.“

Das ist aber nur selten der Fall. Daher rät die Polizei zur Vorbeugung. Und wie das aussehen könnte, wurde gestern am Tatort Landespolizeischule demonstriert: Der Hammer prallt zehnmal krachend gegen die Fensterscheibe. Das einbruchhemmende Glas bleibt ganz. „Spätestens jetzt würde jeder Einbrecher entnervt aufgeben“, kommentiert Polizeisprecher Wolfgang Lüdtke die Demonstration, „das macht zuviel Krach.“ Auch sein Kollege, der bewaffnet mit Brecheisen und Schraubendreher versucht, einen Fensterrahmen aufzubrechen, hat keinen Erfolg. Er scheitert an der Rundumverriegelung. Mit der Sicherheitsaktion, die bis zum 21. August läuft, wollen Polizei und Versicherer zeigen, wie man sich und sein Eigentum vor unerwünschtem Zugriff schützen kann. Das Fenster ist nach der Tür des Diebes bevorzugter Durchschlupf. Da Einbrecher möglichst unbemerkt und geräuschlos zu Werke gehen wollen, erschweren Sicherheitsbeschläge wie eine Rundumverriegelung oder Fenster mit einbruchhemmender Verglasung ihre Arbeit erheblich. Ist der Griff abgeschlossen, läßt sich das Fenster auch dann nicht öffnen, wenn der Rahmen durchbohrt oder die Scheibe in der Nähe des Griffes eingeschlagen wurde. Wenn diese Sicherungen sich nicht anbringen lassen, empfiehlt sich der Einbau von mindestens zwei abschließbaren Zusatzriegeln, die fest mit Mauerwerk oder Rahmen verbunden sein müssen. Bevor man sich hinter teurer Sicherheitstechnik verschanzt, bieten die Berater des Landeskriminalamts und Polizeidirektionen kostenlose Beratungen an. Sie kommen ins Haus, um an Ort und Stelle zu klären, wie Wohnung oder Geschäft am besten zu sichern sind. Vera Stadie/Kai von Appen

*Namen geändert