: »Lösung von Hinterbänklern«
■ Gewerkschaften und Einzelhandel sind gegen längere Ladenöffnungszeiten
Berlin. Damit »die Attraktivität unserer Stadt wächst«, fordert die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU, Gisela Greiner, die Freigabe der Ladenöffnungszeiten. Zukünftig soll auch in Berlin möglich sein, was in Frankreich, Spanien, Schweden und Großbritannien bereits lang geübte Praxis ist: das Einkaufen nach Feierabend und am Wochenende. Dem streßfreien Shopping am Abend kann auch der Sprecher der SPD- Fraktion, Yorck Kaempfer, einiges abgewinnen, denn »im Urlaub genießen wir das«. Damit dieser Genuß nicht nur auf die Ferien beschränkt bleibt, spricht bei der SPD mittlerweile »einiges dafür, zur Flexibilisierung zu kommen«.
Auch Kaempfers Kollege bei Bündnis 90/ Grüne, Stefan Noe, hat nichts dagegen, wenn der mediterrane Stil des Handels stärker Einzug in Berlin hält. Allerdings müsse eine solche Liberalisierung beschäftigungswirksam umgesetzt werden. Der wirtschaftspolitische Sprecher Reimund Helms hat da erhebliche Zweifel, denn mehr Personal würde seiner Einschätzung nach nur eingestellt, wenn auch der Umsatz steige. Greiner ist sich hingegen sicher, daß mit der Freigabe einige hundert Arbeitsplätze geschaffen würden. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Otto Hoffmann rechnet gar mit 20 Prozent mehr Beschäftigten. Greiner appelliert auch an die Gewerkschaften, »ihren Widerstand im Interesse der Arbeitnehmer aufzugeben«. Doch der zuständige Sekretär der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Charles Mündler, denkt gar nicht daran. Die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen hält er für »eine furchtbare Illusion«.
Gestützt wird diese Einschätzung von Mündlers Tarifpartner, dem Geschäftsführer des Gesamtverbandes des Einzelhandels, Niels Busch-Petersen. Auch die Einführung des langen Donnerstags habe gezeigt, daß die Läden an diesem Tag zwar eine Steigerung des Umsatzes verzeichnen, der dafür an anderen Tagen zurückgegangen sei. Busch-Petersen fürchtet zudem, daß bei solchen Arbeitszeiten »unsere Mitarbeiter weglaufen«. CDU und SPD wollen die Verlängerung der Öffnungszeiten zunächst auf die kleinen Einzelhandelsläden ohne Angestellte begrenzen. Doch erteilen die Betroffenen dieser Initiative eine klare Absage. Zwei Drittel aller Ladeninhaber, so das Ergebnis einer Umfrage des Einzelhandelsverbandes, sprechen sich gegen eine Änderung der Öffnungszeiten aus. Ende August will das Parlament eine Anhörung zu dem Thema durchführen. Busch-Petersen hält das Ganze bereits jetzt für eine »Scheinlösung profilsüchtiger Hinterbänkler«. Dr
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