: Wer soll Kindergartenplätze zahlen?
■ Das im Abtreibungsgesetz festgeschriebene Recht auf einen Kindergartenplatz kann nicht eingelöst werden
Berlin (taz) — Mit dem neuen Abtreibungsrecht geht es auch um das Recht auf einen Kindergartenplatz, das im sozialen Hilfspaket des Gesetzes verankert ist. Es mutet paradox an, aber erst in Verbindung mit dem Paragraphen 218 gelang es den Politikern, für die alten Bundesländer einen Rechtsanspruch gesetzlich festzuschreiben, der in der DDR längst umgesetzt war. Doch die Verwirklichung des darin enthaltenen Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ist jetzt schon in Frage gestellt. Gerade die sozialen Hilfen der neuen Abtreibungsregelung gelten als eine grundlegende Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit des gesamten Gesetzespakets.
Schon in den Anhörungen des Sonderausschusses zum Paragraphen 218 gab es heftige Auseinandersetzungen um die Finanzierbarkeit der flankierenden Sozialmaßnahmen. Erst letzte Woche wies der Deutsche Städte- und Gemeindetag auf die nicht zu kalkulierenden Kostenrisiken hin. Er geht davon aus, daß etwa 50 Milliarden Mark benötigt werden, um alle mit dem Rechtsanspruch verbundenen Kosten zu decken. 600.000 Kindergartenplätze fehlen in den alten Bundesländern. Vor allem die Kommunen sehen nun zu große Kosten auf sich zukommen. Nach Ansicht des Deutschen Städtetages ließe sich der Rechtsanspruch nur verwirklichen, wenn die Kommunen finanziell entlastet werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält es daher für notwendig, „das Kindertagesstättenwesen als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu begreifen“ und als solche verfassungsmäßig zu verankern. Die finanzielle Beteiligung des Bundes sei unabdingbar.
Doch nach Meinung des Bundesministeriums für Frauen und Jugend steht dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, der vorsorglich erst Ende 1996 vollends verwirklicht sein soll, überhaupt nichts mehr im Wege. Länder und Kommunen seien eben per Grundgesetz für die Finanzierung des Kindergarten- und Kindertagesstättenwesens zuständig. Natürlich ließe sich darüber reden, ob im Zuge des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern ein anfallender Mehrbedarf ausgeglichen werden könne. Eine Finanzierung seitens des Bundes sei aber ausgeschlossen. Insgesamt berechnete das Ministerium zusätzliche Investitionskosten in Höhe von 21 Milliarden Mark, verteilt auf fünf Jahre. Die zusätzlichen Betriebskosten beliefen sich auf jährlich vier Milliarden Mark.
Wenn sich die Politik nicht völlig unglaubwürdig machen wolle, so das Bundesjugendministerium, dann müßten die Politiker von Gemeinden und Kommunen jetzt handeln. Als Defizit wird allerdings bemängelt, daß das neue Abtreibungsrecht keine Unterbringungsmöglichkeiten für Kinder im Alter bis zu drei Jahren gewährleistet. Vor allem Frauen, die ihr Kind allein großziehen und arbeiten, nütze das Recht auf einen Kindergartenplatz nicht viel. Deshalb müßten dringend 240.000 zusätzliche Krippenplätze und Kindertagesstätten geschaffen werden.
Im Zusammenhang mit der Einrichtung von Kinderbetreuungsstätten verwies die GEW auf weitere Probleme. Hinter dem vom Bundesjugendministerium geforderten Ausbauprogramm steht ein Personalbedarf von 131.650 zusätzlichen ErzieherInnen. Gerade in den alten Bundesländern nimmt jedoch der Anteil der ErzieherInnen aufgrund der schlechten Bezahlung und der Arbeitsbedingungen ab. In den neuen Ländern dagegen werden die Stellen massiv abgebaut. flo
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