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Sex in der Zimmerstraße

Die Frau liegt am Boden. Der Mann umklammert sie. Die Nacht zum Dienstag ist heiß, wie geschaffen für die Liebe. Der Ort ist pittoresk. Die Zimmerstraße zwischen Wilhelm- und Stresemannstraße ist dunkel, links das Gestapogelände, umwehrt mit Mauerresten, rechts die innere Mauer, Schlaglöcher, nicht einmal der Mond erleuchtet die Szene. Ein Radfahrer schlängelt sich vorbei. Schutzhelm und Rennrad verraten den Profi, ein Hund hechelt hinterher. Die Frau stöhnt auf, biegt ihren Körper dem Radfahrer entgegen, strampelt mit den Beinen. Der Hund bleibt stehen, bellt, wird vom Radfahrer zur Ordnung gerufen, läuft weiter, unwillig, aber gehorsam. Auch ein zweiter Radsportler passiert den Weg, der Schein der Lampe streift das Paar. Ein dunkel geschminkter Punk mit Nylonstrumpf über dem Kopf, eine Frau im leichten Sommerkleid, eine Handtasche auf der Straße. Der Fahrer stockt nicht, sein Tritt wird nicht eine Sekunde langsamer, er verschwindet im Dunklen.

Die Frau lag nicht zur Liebe bereit am Boden. Sie stöhnte nicht vor Lust. Sie hatte ein Messer am Hals. Ihr Hilfeschrei wurde durch einen starken Arm erdrückt, ihr Körper durch das Gewicht niedergehalten. Sie wurde beraubt und vergewaltigt. Ein Ton und ich steche zu, hat er gesagt. Der Mann konnte die Frau unterwerfen, weil er sich sicher fühlte. Männer stören andere Männer bei der Liebe nicht. Er weiß, die Nacht ist lau, die Schwüle erotisierend. Sex liegt in der Luft, da hat es eben zwei gepackt. Die Radfahrer treten nach Hause, streicheln ihre Frauen, ihr voyeuristischer Blick auf Lust in der Zimmerstraße wird sie antreiben.

Das Objekt der Begierde, das Opfer von Männergewalt und Männerkollaboration, die gedemütigte Frau weiß, daß sie noch einmal Glück gehabt hat. Das Messer hätte ihr das Gesicht zerschneiden können. Den Schmutz auf dem Körper wird sie abwaschen, der Schmerz an der Seele wird heilen. Ihre Würde ist nicht verletzt. Sie ist nur etwas einsamer geworden. Gewalt gegen Frauen ist Alltag. Jeder ist nur für sich selbst verantwortlich.

Tatzeit: Montag, 3. August, 21.50 Uhr. Erlebt und aufgeschrieben von einer taz-Redakteurin. Strafanzeige wurde erstattet.

Notruf für vergewaltigte Frauen: Tel. 2512828

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