piwik no script img

»Frauen sind die Quelle seiner Leiden«

■ Psychiater aus Tegel hält den Angeklagten im Callgirl-Mordprozeß für schuldunfähig/ Der Staatsanwalt forderte elf Jahre Haft

Moabit. »Wenn er heute frei wäre, würde er es wieder tun.« Davon war der sachverständige Zeuge Luziano Missoni gestern vor dem Landgericht Berlin in dem Prozeß gegen den 27jährigen Ronni G. überzeugt. Der Sicherheitstechniker hatte am 12. Januar dieses Jahres die Prostituierte Ines Z. mit sechs Schüssen nach einer gemeinsamen Nacht getötet (die taz berichtete).

Der Angeklagte hatte bereits kurz nach der Tat ein Geständnis abgelegt. Der Prozeß drehte sich deswegen vornehmlich um die strafrechtliche Schuldfähigkeit von Ronni G. Auf Antrag des Verteidigers Christian Ströbele wurde gestern der Neurologe und Psychiater der Justizvollzugsanstalt Tegel, Luziano Missoni, vernommen. Missoni behandelte den Angeklagten seit Januar dieses Jahres. Er beschrieb Ronni G. als einen Menschen mit »mangelndem Selbstwertgefühl und Hemmungen und einer krankhaften sexuellen Störung«. Der Angeklagte leide unter »Perversionen«. Diese manifestierten sich im »Sadomasochismus, Voyeurismus und Transvestitismus«.

Die »Quelle der sexuellen Erregung« sei die Phantasie gewesen. Ronni G. hat sich »nichts mehr als Normalität gewünscht«, so Missoni weiter, die Perversionen hätten aber gerade dies zerstört. Daraus habe sich eine paranoide Vorstellung entwickelt: nicht die Krankheit sei an seinem Zustand schuld, sondern Frauen seien die »Quelle des Leidens«. Ronni G. habe dieses Feindbild auf einen bestimmten Frauentypus projiziert, auf die Prostituierten nämlich, die er regelmäßig besuchte.

Die Perversionen zu befriedigen seien zum einzigen Lebensinhalt des Angeklagten geworden. Die Tat selbst sei aber nicht »die Umsetzung einer sadomasochistischen Phantasie, sondern die Vollendung einer paranoiden Entwicklung«. Diese habe ihm »keinen Raum für andere Entscheidungen« gelassen, zog Missoni sein Fazit.

Die Aussage steht damit dem Gutachten des forensischen Sachverständigen Ulrich Giese gegenüber. In der anschließenden Befragung blieb dieser bei seiner Einschätzung von einer lediglich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten. Er könne zwar Missonis Erläuterungen über die paranoide Entwicklung von Ronni G. nachvollziehen, habe dieser aber nicht dieselbe Bedeutung beigemessen.

Der Staatsanwalt forderte eine elfjährige Freiheitsstrafe für Ronni G. Den ersten Teil der Strafe solle er im Vollzug verbringen, damit er »soziales Verhalten« lernen kann, erst dann solle eine Therapie folgen. Verteidiger Christian Ströbele plädierte für die Schuldunfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt und die Einweisung in eine psychiatrische Klinik. Ronni G. habe bereits mehrmals wegen versuchter Vergewaltigung vor Gericht gestanden. Dabei habe es ähnliche Strafen gegeben, wie der Staatsanwalt sie jetzt verlange: »Das Ergebnis dieser Fehler haben wir heute zu verhandeln.« Das Urteil ergeht am Donnerstag. Ralf Knüfer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen