■ Fehlstart: Platzende Flaschen
Ja, Teufel, ist das ein furchterregender Anblick, wenn 150 Kilogramm Lebendgewicht ins Wanken kommen. Die umstehenden Gäste brachten sich eiligst in Sicherheit, als Gewichtheber Manfred Nerlinger und seine superschweren Kumpels mächtig angesäuselt von der als Dopingkontrolle getarnten Bierorgie im Deutschen Haus einliefen. In Schlangenlinien näherten sich die Vielfraße dem Buffet und zogen wenig später mit randvollen Tellern glücklich ab.
Nur einem lag der Wettkampf schwer im Magen. Wolfgang Peter, ehemaliger Gewichtheber und Dopingbeauftragter des Weltverbandes FILA. Eine kleine Frage genügte, schon polterte er los wie ein Wasserfall: Das Gewichtheben werde doch mehr und mehr zur Farce, Doping überall, ganz unglaublich sei es, wie diese wunderbare Sportart zerstört werde. „Ich war persönlich bei Herrn Samaranch in Sachen Doping. Alles, was dem einfiel, war drohen: Wenn weiter so viele Fälle bekannt werden, fliegt das Gewichtheben aus dem olympischen Programm, basta. Für das Problem an sich hat der sich gar nicht interessiert.“
Platzende Flaschen
Erregt greift Peter zum Bierglas, nimmt einen kräftigen Schluck und wettert weiter: „Ich habe Samaranch gebeten, daß das reiche IOC die Kontrollen finanzieren soll, um den Sport sauber zu kriegen. Aber dafür rückt der keinen Pfennig raus. Außer bei Olympia, was der größte Unsinn ist. Denn natürlich haben die Sportler rechtzeitig abgesetzt. Hier gibts nur Friede, Freude, Eierkuchen. So will er das haben, der Samaranch.“
Das einzig sinnvolle Mittel, sagt Peter, sind unangemeldete Trainingskontrollen. „Wenn die mich nur lassen würden, wenn wir nur das Geld hätten, ich würde überall hinfliegen und Proben nehmen. Und wenn ich die Sportler mit dem Lasso einfangen müßte. Und ich sage Ihnen: Da würden die Flaschen zerplatzen.“
Doch Peter ist kein manischer Doping-Inquisitor. Er weiß, daß es die neuen Strukturen sind, die den Sportler zum Doping verführen. „All das Geld, das es plötzlich zu verdienen gibt, verleitet. Als Dopingtäter wird man nicht geboren, genausowenig wie als Raucher oder Säufer.“ Das IOC müsse Möglichkeiten schaffen, auch ohne Doping auf hohem Niveau Sport treiben zu können. „Dafür allerdings braucht man Funktionäre, die Kontakt haben zu ihren Sportlern, statt in irgendwelchen Nobelhotels Empfänge abzuhalten.“ -miß-
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