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Ossi - Wessi Chance verpaßt?-betr.: "Aus labiler Solidarität wurde offene Abneigung" von Eva Schweitzer, taz vom 28.7.92

betr.: „Aus labiler Solidarität wurde offene Abneigung“ von Eva Schweitzer, taz vom 28.7.92

„Jetzt werfen wir das Geld schon aus Flugzeugen ab, und die sind zu faul, es aufzuheben!“ So wird Dieter Hildebrandt in diesem Artikel zitiert. Anschließend wird gefragt, ob „Scheibenwischer-Dieter“ das wohl ernst gemeint haben könnte.

Nun, ich hoffe, er hat es ernst gemeint! Denn nach meinen Erfahrungen will kein(e) — oder kaum ein(e) — Ostdeutsche(r) aus Flugzeugen abgeworfenes Geld. Sie wollen eine reelle Chance, mehr nicht! Und die haben sie nicht. [...]

Was „das System madig machen“ betrifft: Haben wir Gesamtdeutschen nicht die große Chance verpaßt, aus den zwei Systemen ein noch besseres als das westdeutsche zu machen? Ich stehe schon zu unserer Demokratie, aber daß unser System doch einige Lücken aufweist, haben wir doch schon vor der Vereinigung gewußt, oder?

Abneigung zwischen Ost- und Westdeutschen gibt es nicht, wenn man/frau es nicht will! Ich habe nie Ablehnung oder gar Haß gespürt. Neugierde, ja! Viele Fragen, ja! Auch Vorbehalte und Vorurteile — hüben wie drüben. Aber die können in Gesprächen und mit gegenseitiger Akzeptanz ausgeräumt werden! Es gibt ein deutsches Sprichwort: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt's wieder heraus“! Elke Nork, Greifswald

Das war ja mal wieder ein schöner Artikel zum Einigungsprozeß — aus Sicht der westdeutschen sogenannten Linken. Um es vorwegzunehmen: diese Sicht halte ich für irrelevant, denn die westdeutsche Linke hat die DDR bis zum Herbst 1989 schlichtweg ignoriert. Alle negativen Erscheinungen in den heutigen neuen Ländern werden auf die Entwicklung seit dem 9.11.1989 zurückgeführt, als hätte es eine Stunde Null gegeben.

In dem Artikel von Eva Schweitzer wird z.B. behauptet: „Vollends bedrohlich wirkt der Ossi durch seine kaum zu leugnende Ausländerfeindlichkeit, ...“. Abgesehen davon, daß gelegentlich in der taz veröffentlichte Umfrageergebnisse dieses Vorurteil nicht unbedingt bestätigen, muß die Ursache z.B. von gewalttätigen Anschlägen auf Asylbewerber in den neuen Ländern natürlich auch darin gesucht werden, daß die DDR-Führung so gut wie keinem Flüchtling politisches Asyl gewährt hat (außer einigen wenigen nach dem Putsch in Chile 1973).

Kritik an der Ausländerpolitik und erst recht am Wirtschaftssystem der DDR ist jedoch für die westdeutsche Linke und offenbar auch für die Autorin heute genauso tabu wie zu Zeiten, als die DDR noch existierte. Die Welt war vor dem 9.11.1989 für eine(n) westdeutsche(n) Linke(n) in Wien und Berlin (West) zu Ende, und er/sie wünschte, daß dem auch heute noch so sei. Michael Mehne, Berlin (West)

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