: Alkohol ist schlimmer
■ AsJ-Arbeitstagung: Strafrecht bei Suchtkrankheiten nicht anwendbar
Eine Tagung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen Schleswig-Holsteins (AsJ) in Malente hat sich am Wochenende mit einem brisanten Thema, der Freigabe illegaler Drogen, befaßt. Namhafte JuristInnen, darunter Richter, ein Oberstaatsanwalt und ein Referent im Justizministerium, waren versammelt. Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau appellierte an den schleswig-holsteinischen SPD-Sozialminister Günther Jansen, einen Modellversuch zur bedingten Heroinfreigabe an Abhängige im Bundesrat zu unterstützen.
Zuvor hatte der AsJ-Vorsitzende und Richter am Landgericht Lübeck, Wolfgang Neskovics, der Bundesregierung Versagen in der Drogenpolitik vorgeworfen, da sich die Zahl der Drogentoten seit 1985 verdoppelt habe. Das Landgericht Lübeck hatte sich im Dezember 1991 geweigert, einen Angeklagten wegen Drogenkonsums und -handels zu verurteilen und den Fall dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Rückendeckung bekamen die Lübecker Richter nun vom Bremer Staatsrechtler, Prof. Dr. Lorenz Böllinger, der das Betäubungsmittel-Gesetz in Malente als verfasungswidrig bezeichnete.
Der Leiter der Suchtabteilung im AK Ochenzoll, Dr. Klaus Behrend, verblüffte die Juristen mit Erfahrungen, daß der bewußte Konsum von Heroin nicht annähernd so schädlich sei wie Alkohol. Laut Neskovic werde daher eine falsche Präventionspolitik betrieben. Neskovic: „Genuß ist immer mit einem körperlichen Risiko verbunden, selbst das Drachenfliegen.“
Einigkeit bestand unter dem Großteil der Teilnehmer in der Frage, daß das Strafrecht bei Suchtkranken nicht anwendbar sei. Günther Jansen hatte aber schon Probleme bei der Vorstellung, daß Drogenbesitz für Nichtsüchtige bald straffrei sein könnte. kva
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