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Hitze beflügelt Crazy Horse

■ Renntag Vahr: Schweißtreibend für Gäule, gewinnträchtig für Reporter

Der Schweiß floß in Strömen. Unerbittlich brannte die Augustsonne vom beinahe wolkenlosen Himmel. Die Brisen, die ab und zu über die Bremer Vahr wehten, brachten überflüssigerweise nur heiße Sahara-Luft. Der Ozonwert hatte um 14.27 Uhr längst seinen kritischen Punkt von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter erreicht. Bremen befand sich im Ausnahmezustand.

Allerdings nicht ganz. Einem schien dieses Horror-Szenario überhaupt nichts auszumachen. Sein Name: Spreeathener, Sohn von Aspros und Sheerness. Der siebenjährige schwarzbraune Wallach, beim Hauptrennnen „Großer Preis der Brauerei Beck & Co.“ des 6. Renntages in der Vahr als ältestes Pferd eigentlich nur als Außenseiter gehandelt, zeigte es allen. Über die Marathon-Strecke von 3200 Meter, dem längsten Flachrennen gestern, hielt sich Spreeathener unter seiner Erfolgs-Reiterin Jacqueline Keil lange Zeit sehr klug im Windschatten von Freischütz mit Alan W. Gorman. Ungeachtet der brüllenden Hitze und des stark aufkommenden Bollo setzte sich der tapfere Kastrat eingangs der 600 Meter langen Zielgerade an die Spitze und gab sie nicht wieder her. Anderthalb bis zwei Längen Vorsprung vor Bollo und dem Dritten Junior, damit hatten die wenigsten gerechnet. Was für ein Rennen, was für ein begeisterter Reporter. Die Siegquote von 55 für 10 brachte ihm eine Menge Freigetränke.

Leider starteten bei diesem Hauptrennen nur vier Pferde, die auch alle in die Preisgelder zwischen 24.000 und 2.500 Mark kamen. Überhaupt litt der gesamte Renntag in der Vahr nicht nur unter Ozonwerten und Hitze, sondern auch unter einem äußerst schwachen Teilnehmerfeld. Seit die neuen Bundesländer auch Galopprennen veranstalten, gibt es einfach zu viele Rennplätze und zuwenig gute Pferde. Gerade einmal 61 Rösser in acht Rennen stellten sich der Konkurrenz. So wenig Teilnehmer hat es in Bremen noch nie gegeben, die Rennleitung diskutierte im Vorfeld sogar eine komplette Absage.

Im vierten Rennen mit 14 und

Bitte die Pferde

Da laufen sie ja.

im Jagdrennen mit 9 Pferden gab es die größte Kandidaten-Dichte. Trotz der schwierigen Bedingungen hatten die Verantwortlichen das Geläuf hervorragend hergerichtet, der Bodenzustand erhielt das Prädikat „Gut“. Den ReiterInnen muß bei den extremen Wetterbedingungen ebenfalls ein Kompliment gemacht werden.

Sie ritten ihre vierbeinigen Schützlinge sehr schonend. Keines der Tiere fiel während des Rennens um.

Über extravagante Modeerscheinungen gibt es nicht viel zu berichten. Bei den Damen überwogen luftige Sommerkleider und kurze Hosen, an wagenradgroßen Kopfbedeckungen, wie wir sie in Ascot oder Baden-Baden schätzen gelernt haben, fehlte es in Bremen leider ganz. Hier taten sich einige Herren mit gewagten Strohhut-Kreationen hervor, die allerdings nicht mit den Pommes-Frites-Beinen in den Bermuda-Shorts ihrer Träger harmonieren mochten.

Alles in allem kann der 6. Vahrer Renntag als Erfolg angesehen werden. 3.500 BesucherInnen sahen die acht Rennen, der Totalisator machte einen Umsatz von 342.535 Mark, das ist unterer Durchschnitt. Glück hatte übrigens, wer im vierten Rennen den genauen Einlauf von Crazy Horse (Nomen est Omen), Noble Gift (sic!) und (wie könnte es anders sein) Fortune vorausgesehen hatte und zudem einen Wettschein ausgefüllt hatte. Der Totalisator bezahlte 6531 Mark für 10 Mark Einsatz.

Das ist mehr als nur ein Taschengeld.

Hippo J. Francke

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