piwik no script img

„... fast die Zunge abgebissen“

■ Heike Drechsler (7,14 m) und Heike Henkel (2,02 m) hüpfen trotz mäßiger Wettkämpfe zu Gold

Barcelona (dpa) — Als Heike Drechsler der Olympiasieg im Weitsprung nicht mehr zu nehmen war, wich die aufgestaute Anspannung mit einem Schlag: „Auf diesen Moment mußte ich so lange warten. Ich hab' schon fast nicht mehr dran geglaubt“, sprudelte die 27jährige hervor und schüttelte immer wieder nur ungläubig den Kopf: „Und das nach solch einem Scheiß-Wettkampf.“

Mit der Winzigkeit von zwei Zentimetern Vorsprung auf Inessa Krawets (GUS) hatte sie das Trauma, bei großen Titelkämpfen nicht gewinnen zu können, am Freitag abend beendet. Ihrem Ruf als nervenschwache Athletin blieb sie mit dem 7,14m- Satz aber erneut treu. „Das war ihre schlechteste Serie in diesem Jahr, aber der größte Erfolg ihres Lebens“, bilanzierte ihr Trainer und Schwiegervater Erich Drechsler die großen Absprung-Probleme der Jenaerin, der lediglich ein Satz über jene Sieben-Meter-Marke gelang, die sie zuvor in dieser Saison bereits vierzehn Mal übertroffen hatte.

Drechsler hatte ihren letzten Sprung absolviert, ihrer Dauerrivalin Jackie Joyner-Kersee (USA) und Inessa Krawets blieb noch jeweils ein Versuch. „Das war eine nervenaufreibende Sache. Ich habe mir fast die Zunge abgebissen.“ Inessa Krawets nahm Anlauf — 7,00m. Jetzt noch Jackie Joyner-Kersee. Ein Satz, dann großes Bangen. Noch während der Ungewißheit umarmten sich Heike Drechsler und Jackie Joyner- Kersee herzlich und blickten gebannt auf die Anzeigetafel, die Weitenmesser schienen sich endlos viel Zeit zu nehmen: 6,90m und nur Bronze für die Amerikanerin — Gold für Heike Drechsler, die zuletzt vor neun Jahren bei der WM in Helsinki einen großen Weitsprung-Wettbewerb gewonnen hatte.

Heike Henkel schien Gold schon verloren zu haben, als sie am Samstag 1,97m zweimal riß und die Höhe erst im dritten Versuch überquerte. Danach war die überragende Hochspringerin der vergangenen Jahre, die sowohl in der Halle als auch im Freien die Welt- und Europatitel im Besitz hat, nicht mehr aufzuhalten: 2,00m und 2,02m meisterte die in Kiel geborene Olympiasiegerin im ersten Versuch.

Hat ihr Mann Rainer sie gerettet? Als die 28jährige Hochspringerin aus Leverkusen nach zwei Fehlversuchen über 1,97m im Rund des Olympia-Stadions von Barcelona ins Schwimmen geriet, gab er ihr den entscheidenen Tip: „Ich habe ihr zugerufen, „geh' ein Stück“ zurück. Da fiel bei Heike der Groschen“, erzählte Ex-Schwimmer Henkel. „Es war der schwächste, schlimmste und schlechteste Wettkampf meines Lebens“, haderte die Gattin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen