: Stasi-Kontakte: Durch die Kirche ein Riß
■ EKD-Präsident will diskrete Aufarbeitung der Vergangenheit/ Bischof Stier: Stolpe hatte kein Mandat
Hannover (dpa) — Aufarbeitung und Umgang mit der Stasi-Vergangenheit kirchlicher Mitarbeiter haben zu einem „Riß durch Kirche und Kirchenführung“ geführt. Das sagte der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Otto von Campenhausen. Der Stasi-Ausschuß der EKD sei gerade fünf Monate eingerichtet, und „die Öffentlichkeit und auch Gruppen innerhalb der Kirche erwarten im Augenblick ständig rollende Köpfe“. Dies darf nach Ansicht von Campenhausens aber nicht sein.
Gerade wenn es um das Material gehe, „stehen wir immer in der Hinterhand“. Der Ausschuß, der nur auf Antrag von Landeskirchen oder kirchlichen Einrichtungen tätig wird, sei auf Akten und Informationen der Gauck-Behörde angewiesen, wenn sich die Menschen nicht selbst offenbarten. „Eine ganze Reihe von Pastoren haben ihr Amt im Seelsorgedienst aufgegeben“, berichtete von Campenhausen. Von seiten der EKD möchte man das „nicht an die große Glocke hängen“. Die Szene solle nicht zum Tribunal gemacht werden.
Die Disziplinarverfahren der Kirche können nach Ansicht von Campenhausens nicht für die Aufarbeitung von Zeitgeschichte und Vergangenheit benutzt werden, sondern sollten fehlerhaftes Verhalten in jedem einzelnen Fall aufklären. Dem Gremium liegen nach Angaben von Campenhausens rund 15 Anträge mit Akten und Stellungnahmen vor. Mit weiteren sei zu rechnen. Der erste Fall werde im August in Schwerin verhandelt.
Die Kontakte zwischen kirchlichen Mitarbeitern und der Staatssicherheit werden wie der Kirchenamtspräsident sagte, auch innerhalb der Kirche gegensätzlich bewertet. Einige meinten, es habe keinen Grund gegeben, mit der Stasi zu reden. Andere seien überzeugt, um der Kirche Freiraum zu schaffen, habe mit diesen Kräften geredet werden müssen.
In einem Spiegel-Interview sagte der mecklenburgische Landesbischof Christoph Stier, Kontakte der DDR-Kirche zur Stasi seien im Interesse der Menschen nicht notwendig gewesen. Er selbst und seine Landeskirche hätten jeden Kontakt vermieden. Er halte es für „unmöglich und skandalös“, wenn kirchliche Mitarbeiter heute sogar von einer Partnerschaft zwischen Kirche und Staatssicherheit sprächen. Manfred Stolpe habe nicht, wie dieser behaupte, für seine langjährige Kooperation mit der Stasi ein klares Mandat der DDR- Bischöfe gehabt. „Über das Thema Kirche, Stasi und Partei ist im DDR- Kirchenbund viel zuwenig gesprochen worden.“ Das sei auch eine Frage, „die ich an Herrn Stolpe stelle: Wie war das mit der Transparenz seiner Kontakte?“
Zugleich bestritt Stier, daß die Kirche in der DDR von der Stasi unterwandert gewesen sei. Natürlich habe die Staatssicherheit dies versucht, „und zwar vor allem deswegen, weil sie die einzige unabhängige Institution dieser Größenordnung im SED-Staat war“. Insofern sei das Interesse der Stasi „durchaus ehrenhaft für die Kirche“, meinte der Bischof und fügte hinzu: „Es ist der Stasi nicht gelungen, die Kirche in den Griff zu kriegen.“ Es bleibe das Verdienst dieser Kirche, Oppositionellen und Bedrängten Möglichkeiten zur Selbstentfaltung gegen den massiven Druck des Staates gegeben zu haben.
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