: SPD gegen Seehofer und die Ärzte
■ SPD lehnt Belastung der PatientInnen bei der Gesundheitsreform ab/ Opposition teilt aber Seehofers Analyse: Zu teuer und zu viele Ärzte/ Lambsdorff will Gesundheit lieber dem Markt überlassen
Berlin (taz/dpa) — Wenn das Gesundheitswesen durch die Reform von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) billiger werden soll, darf Kranksein für die PatientInnen nicht gleichzeitig teurer werden. Das betonten Sozial- und Gesundheitspolitiker der SPD-Opposition am Wochenende in zahlreichen Interviews. Der SPD-Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Hermann Heinemann, sagte, erst einmal müßten die „Leistungsanbieter“ — also Ärzte, Pharmaindustrie und Krankenhäuser — die sieben Milliarden Mark einsparen, von denen Seehofer in seinem Gesundheitsreformpaket rede. Daß die Kosten im Gesundheitswesen verringert werden müßten, sei ja unstrittig.
Seehofer plant unter anderem, Krankenhauspatienten pro Tag mit 10 Mark zur Kasse zu bitten sowie die Selbstkostenbeteiligung bei Medikamenten und beim Zahnersatz auszubauen. Insgesamt müßten die Kranken 3,2 Milliarden Mark pro Jahr zusätzlich zahlen.
Die in Düsseldorf versammelten SPD-Politiker wollen statt dessen die Krankenkassen stärker als bisher auf Ärzte und Krankenhäuser loslassen. In Regionalkonferenzen sollten Leistungsanbieter wie Ärzte und Krankenhäuser, die Krankenkassen und die öffentliche Hand Eckdaten für die Gesundheitskosten abstimmen. Bundesweite Krankenkassen — also in erster Linie die Angestellten-Ersatzkassen — sollten nach dem SPD- Konzept mehr Verantwortung für regionale Entscheidungen tragen. Bei den Medikamenten könne eine Positivliste empfohlener Medikamente die Kosten der Arzneimittel reduzieren. Zudem sei es notwendig, die Zahl der über 200.000 Ärzte zu reduzieren. Nach dem 65. Geburtstag müsse Schluß sein. Der SPD-Gesundheitsexperte Klaus Kirschner verlangte von Seehofer ein Verhandlungsangebot für die Gesundheitsreform. „Seehofer muß wissen: Ohne die SPD geht es nicht.“ Kirschner glänzte mit einem zusätzlichen Vorschlag: Er lehnte eine Honorarkürzung für Zahnärzte ab. Statt dessen forderte er eine Garantie von drei Jahren auf Füllungen und sechs Jahren auf Kronen und Brücken. „Das sichert eine solide Arbeit.“ Anderenfalls müsse der Zahnarzt kostenlosen Ersatz leisten.
Während Bundeskanzler Kohl seinem Gesundheitsminister vor der entscheidenden Kabinettssitzung am Mittwoch gegen die wütenden Ärzte die Stange hielt, plädierte FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff gestern für mehr Marktwirtschaft im Krankheitsfall. Lambsdorf sagte der Welt am Sonntag, jeder Bürger müsse neben einer garantierten Grundversorgung selbst über weitergehende Leistungen bestimmen können. Um die Kostenprobleme in den Griff zu bekommen, „müssen wir umgehend eine richtige Reform einleiten, die an die Wurzeln des Systems geht“. ten
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