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Eine Idylle wie auf dem "Immenhof"

■ Das Wohnmodell Kritenbarg wurde zehn Jahre alt / Über das Fortbestehen entscheiden aber Behörden

/ Über das Fortbestehen entscheiden aber Behörden

Es war am Wochenende ein rauschendes Sommerfest mit einem riesigen Kinderspektakel — schließlich galt es, den 10. Geburtstag des „Wohnmodells Kritenbarg“ gebührend zu feiern. Trotz der Fetenlaune ist die Stimmung im Haus „Am Beerbusch 31“ aber ein wenig getrübt. Der jetzige „Instandsetzungsmietvertrag“ ist ausgelaufen, die Verhandlungen mit der Stadt über einen möglichen Erbpachtvertrag kommen nicht voran.

Seit zehn Jahren leben in diesem idyllischen, 350 Quadratmeter großen alten Bauernhaus in Bergstedt 15 Erwachsene mit nunmehr neun Kindern. Das zehnte Kind wird im Dezember erwartet. „Es gibt schon Ultraschallbilder“, witzelt ein Bewohner. Es ist aber nicht nur das „Immenhof“-Flair und die tolle Lage des Hauses auf 1,2 Hektar Grundstück, das die 24 Menschen bewegt, hier zufrieden seit zehn Jahren zu wohnen. Es sind vor allem die „kollektiven Strukturen“. Eine Bewohnerin zu ihrem Selbstverständnis: „Wir verstehen uns als Wohnmodell. Wir essen gemeinsam, wohnen gemeinsam. Es wäre für uns keine Alternative, in fünf schönen Einzelhäusern in Bergstedt zu wohnen.“

Das zwischen 1914-1916 erbaute Gutshaus war während der Nazi- Herrschaft als „Frauenschaftshaus“ des „Bund deutscher Mädchen“, danach als Kinderhaus genutzt worden — dann stand das Gebäude leer. Als vor zehn Jahren der „Verein Kritenbarg“ sein ursprüngliches Domizil wegen der Expansion des Alster-Einkaufszentrums (Poppenbüttel) räumen mußte, bot die Stadt via Saga (Verwalterin) das leerstehende Areal am Beerbusch an. Es wurde ein auf zehn Jahre befristeter „Instandsetzungsmietvertrag“ abgeschlossen.

Neben der Miete — abzüglich einer „Instandsetzungsrücklage“ von rund 1000 Mark pro Monat — waren die Bewohner verpflichtet, für alle Renovierungen des inzwischen unter Denkmalschutz gestellten Gebäudes aufzukommen. In den letzten Jahren steckten sie somit nicht nur eine Unmenge an Energie, sondern auch an Geld in das Haus, um es intakt zu halten.

Und mit dieser Situation sind die Bewohner unzufrieden. „Das ist ein Scheißvertrag“, bringt es ein Bewohner auf den Punkt. Denn an dem denkmalgeschützten Gebäude müßten demnächst substanzerhaltende Instandsetzungen — wie ein neues Reetdach oder eine neue Kläranlage — vorgenommen werden. Bislang seien vor allem die erhaltungswichtigen Arbeiten durchgeführt worden. „Man macht ja auch nicht mehr, wenn man nur

1Mieter ist.“ Und die Saga habe sich immer geweigert, schwerwiegende Instandsetzungsarbeiten zu übernehmen.

Während die Liegenschaftsverwaltung der Finanzbehörde vor einem Jahr signalisierte, den Bewoh-

1nerInnen das Haus in Erbpacht zu überlassen, wenn diese eine Genossenschaft gründen würden, laufen die Gespräche mit dem Bezirk Wandsbek schleppend. Hier gibt es offensichtlich Pläne, das Grundstück als Bauland zu nutzen. Ob-

1wohl den KritenbargerInnen grundsätzlich ein Wohnrecht zugesichert worden ist, muß also über die Konditionen einer möglichen Erbpacht- Lösung nach der Urlaubszeit noch konkret gerungen werden. Kai von Appen

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