: Echte Elefanten in der Heide!
■ Vor 300.000 Jahren trabten echte Elefanten durch Niedersachsens Wälder
Was Archäologen bisher bestenfalls ahnten, ist jetzt Gewißheit: Im Südosten des heutigen Niedersachsen trabten vor 300.000 Jahren Nashörner und bis zu viereinhalb Meter große Elefanten durch die Wälder. Der Artenreichtum war größer als heute, und auch für den Steinzeitmenschen war die Region anziehend, denn sie bot reichlich Nahrung und ein mildes Klima. Belege dafür bieten Siedlungsspuren, die ein Grabungsteam des Hannoveraner Instituts für Denkmalpflege zwischen Mai und August in der Kraterlandschaft des Braunkohlentagebaus Schöningen (Kreis Helmstedt) zu Tage förderte.
„Solch ein Fund ist in Mitteleuropa äußerst selten. Er ist so phantastisch reichhaltig und alt, wie wir es in Niedersachsen noch nie hatten“, freut sich der Archäologe Hartmut Thieme. Mit seinen zehn Kollegen registrierte Thieme rund 1.000 Zähne, Kieferteile und vom Menschen zerschlagene Knochen von Großsäugern, wie Elefant, Nashorn, Pferd und Bär, ferner rund 100.000 Überreste von Mäusen, Käfern, Fischen, Fröschen und Vögeln — neben Zentnern von Haselnußschalen, Früchten, Eierschalen, Muscheln und Samen: Anhaltspunkte für den Speisezettel unserer jagenden Vorfahren.
„Zuerst fanden wir große Hölzer mit Spaltflächen, die nicht natürlich entstanden sind, und alle sind angebrannt. Dann stießen wir auf Fischreste und Feuersteinsplitter, da wußten wir, daß wir im Bereich einer Feuerstelle waren“, erzählt Thieme. Zu den Kulturresten, die im Uferbereich eines ehemaligen flachen Sees gefunden wurden, zählt auch Werkzeug aus Feuerstein: „Die Regel sind Werkzeuge in der Größe von zwei bis fünf Zentimeter, die mit scharfen Kanten speziell zugerichtet sind, um die Jagdbeute zu zerlegen“, berichtet Thieme weiter und zeigt deutliche Schnittspuren dieser „Messer“ an den Knochenresten. „Aus allem wollen wir Klima-, Umwelt- und Lebensverhältnisse des Menschen rekonstruieren, wie er vor 300.000 Jahren gelebt hat“, sagt der Hallenser Eiszeitforscher Prof. Dietmar Mania, der im thüringischen Bilzingsleben vor kurzem auf einen ähnlich alten Fund und sogar menschliche Skelettreste gestoßen ist.
Bei dem Puzzle ist Spezialwissen gefragt. Die Lüneburger Biologin Prof. Brigitte Urban-Knüttel will anhand steinzeitlicher Pollen die damalige Pflanzenwelt rekonstruieren: „Wir wissen, daß die Funde aus einer Warmzeit zwischen zwei eiszeitlichen Schüben stammen, hatten aber Probleme, die Warmzeit einer bestimmten Zeit zuzuordnen, weil die Überlieferung in der Landschaft so lückenhaft ist. Eine Interpretation der Fauna erlaubt eine genauere Einstufung.“
Die Archäologen des Instituts für Denkmalpflege hatten sich bereits 1982 entschlossen, die Ausbeutung der Schöninger Braunkohle zu begleiten — obwohl dort kaum archäologische Funde bekannt waren. Seither hat Schöningen in der Fachwelt einen Namen als eine der reichhaltigsten Quellen für die Erforschung der Vorgeschichte — allerdings waren die Funde bisher erheblich jünger. Thomas Kaufner/dpa
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