piwik no script img

Mitleid ist tabu

■ Das Obdachlosen-Blatt „Big Issue“ ist ein Jahr alt

London (epd) — Über 2.000 Obdachlose jeden Alters und damit mehr als je zuvor schlafen in London auf der Straße. Früher lebten sie nur vom Betteln, doch seit einem Jahr gibt es für viele von ihnen erstmals so etwas wie eine berufliche Perspektive: die Monatszeitung „Big Issue“. Sie wird in Eigeninitiative von Obdachlosen hergestellt und verkauft, und sie ist sogar profitabel. Die Idee stammt von dem Journalisten John Bird. Er überredete die erfolgreiche Unternehmerin Anita Roddick, Geld zur Gründung der Zeitung vorzuschießen.

In „Big Issue“ findet sich alles über das Londoner Leben in der Gosse und das der oberen Zehntausend. Obdachlose schreiben über sich selbst und geben Ratschläge. Weinerliches Flehen um Mitleid ist tabu. Jeder Obdachlose kann „Big Issue“ vom Verlag zum Selbstkostenpreis von 10 Pence erstehen und auf der Straße zum vollen Preis von 50 Pence verkaufen. Die Differenz von 40 Pence, das sind umgerechnet etwa 1,15 Mark, ist sein Verdienst. Vor einem Jahr fing alles mit 50.000 gedruckten Exemplaren an, inzwischen liegt die Auflage bei 150.000.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen