: Der letzte macht das Licht aus-betr.: "Europa läßt bosnische Flüchtlinge im Stich", taz vom 30.7.92
betr.: „Europa läßt bosnische Flüchtlinge im Stich“,
taz vom 30.7.92
Und wieder gelingt es dieser Institution bürokratischen Kalküls, sich als Vorreiter im staatsfetischistischen Parcours darzustellen. Im Namen der Menschlichkeit werden Hürden wie die Genfer Flüchtlingskonvention mit Leichtigkeit übersprungen oder übergangen, und wieder sind Menschen die Leidtragenden, und die Steuergelder bleiben Maßstab für die Erregungsfähigkeit des Durchschnittsmanipulierten.
Mit einem lächerlichen Gnadenakt, der bewilligten Aufnahme von zwei mal 5.000 Flüchtlingen aus Bosnien, setzt sich die Bundesregierung an die Spitze der EG-Staaten und erschöpft ihr Humanitätskontingent.
Die BRD als das geringste Übel unter den angeblichen und selbst „völlig erschöpften“ Wohltätern der europäischen Hausgemeinschaft, könnte vermutet werden, denn auch der Vorschlag zur kontrollier- und erfaßbaren, zahlenmäßig leicht handhabbaren Flüchtlingsaufnahme, fand keinen Anklang.
Doch die Festungsmauern der europäischen Luxushütte werden dicht (gemacht und) bleiben, und daran arbeitet auch dieser Staat mit wie seine diplomatischen Mitbewohner. „Ausländergesetzgebung“ und Asylhetze treffen weder zufällig ein, noch schlagen sie auf Paragraphen ein — Menschen sind ihre Opfer.
Dieses Europa ist nicht schier schlecht & böse & gemein zu allen Kolonalisierten, es ist hinterhältig schonend für all seine BewohnerInnen, die selbst vom Krieg im — von oben aus gesehen — eigenen Hinterhof nichts mitbekommen. Und gibt es dennoch Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung, die an Grundsätzlichkeit weit über weihnachtliche Spendenbeiträge hinausgeht, so wird sie gewürdigt und sanft abgewürgt.
Gewaltige Einsätze andererseits gegen KritikerInnen der häuslichen Ruhe wie z.B. in Sevilla bei der Expo-Eröffnung oder in München beim G-7-Gipfel gehören zum Konzept einer sogenannten Sicherheit, das mit der Formel „nach innen Knüppel gegen radikale DemonstrantInnen, nach außen Grenzpfähle gegen Fremde“ nicht annähernd beschrieben ist. [...]
Die Tagesschau gehört zur Norm und zum Abendbrot, und so auch der Verweis auf das Elend der bosnischen Flüchtlinge — als Bestandteil. Also: Der letzte macht das Licht aus (... oder eben den Fernseher). Jens Kastner, Senden
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