EG als Trumpf für Großschlächter

■ Bayerns Großverwerter Südfleisch nützt EG-Hygienerichtlinien zum Bau einer neuen Schlachtfabrik

Grönenbach (taz) — Seit eine EG- Kommission den Memminger Schlachthof inspiziert hat, ist in der Kleinstadt im Allgäu „Land unter“ angesagt. Die im kommenden Jahr in Kraft tretenden verschärften EG- Hygiene- und Ausstattungsrichtlinien erfüllt der kommunale Memminger Schlachthof nicht mehr. Während die Memminger ratlos vor sich hingranteln, hat der Fleischgroßverwerter Südfleisch längst die Chancen erkannt und ein neues ehrgeiziges Projekt konzipiert: Im idyllischen Kneipp-Kurort Grönenbach soll nach dem Willen des Umsatzriesen (1991: rund 3,4 Milliarden Mark) ein großer, hochmoderner EG-Schlachthof entstehen.

Die Auseinandersetzungen um den Schlachthof auf der grünen Wiese sind exemplarisch für die Situation auf dem deutschen Viehmarkt. Die Vorgänge zeigen deutlich, wohin die als verbraucherfreundlich verkauften EG-Richtlinien führen: zu einer immer schwieriger zu kontrollierenden Konzentration auf einige wenige Großschlächter. Nicht eine Qualitätsverbesserung, sondern eine Verschlechterung der Metzgereiprodukte ist nach Ansicht der Kritiker die Folge dieser Richtlinienpolitik der EG und der Fördermittelpolitik der bayerischen Staatsregierung.

Nur ein Teil der 76 bayerischen Schlachthöfe ist in der Lage, die erforderlichen Millioneninvestitionen für eine Modernisierung aufzubringen. Von dem dadurch verursachten Schrumpfprozeß profitieren die drei Großschlächter Marox, Moksel und Südfleisch. Südfleisch will in den nächsten Jahren seine 25 bayerischen Schlachthöfe auf acht reduzieren. Erleichtert werden der Firma die dafür erforderlichen Investitionen durch erhebliche Fördermittel des Freistaates Bayern. Rund 20 Prozent Zuschüsse gibt es laut Josef Miller, Staatssekretär im bayerischen Landwirtschaftsministerium, für sogenannte „nachfolgende Einrichtungen“. Nachdem die Schlachthöfe selbst nicht gefördert werden, gibt man die Fördermittel eben für die weitaus teureren Kühl-, Verpackungs- und Zerlegungshallen aus, womit wiederum die Exportfähigkeit der sogenannten Fleischzentren steigt.

Für das Fleischerhandwerk sind mit dieser Entwicklung erhebliche Nachteile verbunden: Die Metzger können sich die Tiere nicht mehr beim Bauern aussuchen, sondern müssen nehmen, was ihnen die Großschlächter anbieten. Der Geschäftsführer des Südfleisch-Kontors in Kempten, Dieter Döbler, macht das selbst an einem Zahlenbeispiel deutlich: 95 Prozent aller Rinder in der Bundesrepublik werden heute geschlachtet vermarktet. Kein Wunder, daß vor diesem Hintergrund die Fördermittel für die teuren Verarbeitungslinien weitaus interessanter sind, als es früher die Finanzspritzen für die Schlachthöfe waren.

80.000 Rinder und 160.000 Schweine sollen nach den Plänen von Südfleisch künftig jährlich im Kurort Grönenbach geschlachtet und verarbeitet werden. Trotz dieser Mengen will Dobler nicht von einem Großschlachthof reden, wie die Bürgerinitiative das Projekt bezeichnet. Doch die Gegner der Ansiedlung sehen das anders: Sie warnen vor den Folgen des Konzentrationsprozesses, vor der Umweltbeeinträchtigung durch Lärm, Gestank und Transport sowie den negativen Auswirkungen auf die Qualität der Ware. Klaus Wittmann