: „Spende ein Pfund, rette einen Muslim“
Während arabische Politiker zögern, setzen sich vor allem Islamisten für bosnische Muslimanen ein ■ Aus Kairo Karim El Gawhary
Im Büro der Zentrale des ägyptischen Ärzteverbandes herrscht rege Betriebsamkeit. Ein Plakat am Eingang verrät den Grund: „Sechs Millionen Muslime in Bosnien und Herzegowina sind vom Holocaust bedroht. Zahle ein ägyptisches Pfund und rette einen Muslim“, heißt es da. Drinnen warten einige junge Ärzte auf ihre Flugtickets: Kairo-Wien- Zagreb. Es ist die nächste Ärztedelegation, die das „Komitee für humanitäre Hilfe“ nach Bosnien schickt.
Ibrahim Mustafa, einer der Verantwortlichen im Komitee, erzählt stolz von den dreieinhalb Millionen Mark, die gesammelt wurden. Eine Delegation mit zwei Ärzten und einem Geistlichen ist gerade aus Bosnien zurückgekehrt. Im Hafen von Alexandria liegt ein Schiff mit 50 Tonnen Nahrungsmitteln und Medikamenten zum Auslaufen bereit.
Alle spenden, z.B. die Angestellten im nahegelegenen Qasr Al-Aini- Krankenhaus. Dort lief der Pförtner durch alle Stationen. Wer spendete, der wurde säuberlich in eine Liste eingetragen. Die meisten gaben ein Pfund. Bei einem Lohn von selten mehr als 100 Pfund entspricht das in etwa der Kaufkraft von 45 Mark. Neben solchen Sammlungen läuft auch eine Kampagne in den Zeitungen. Dort wird mit Sprüchen aus der Überlieferung des Propheten geworben, wie: „Wer sich nicht um die Belange der Muslime kümmert, ist keiner von ihnen“. Im Gespräch mit den jungen hochmotivierten Ärzten wird klar, daß sie zur islamischen Opposition gehören. Die Vorstandswahlen im Ärzteverband zeigten, daß die Organisation von den Islamisten weitgehend kontrolliert wird.
Von den neuesten Aktivitäten der islamischen Außenministerkonferenz erwartet Ibrahim Mustafa nichts. Der Iran hatte letzte Woche die Einberufung einer außerordentliche Sitzung beantragt, auf der über eine mögliche militärische Intervention beraten werden soll. Doch zunächst wolle man abwarten, wie die internationale Gemeinschaft reagiert, hieß es in arabischen Presseberichten. „Das ist alles Gerede“, sagt ein Arzt im Büro, „die Muslime in Bosnien brauchen keine ausländische Intervention, sondern Waffen“.
Die Wellen der Solidarität mit den Muslimanen in Bosnien wird auch von anti-serbischen Presseberichten untermauert. Neueste Variante in diesem propagandistischen Feldzug: die „Aufdeckung“ serbisch-israelischer Beziehungen. In einer Artikelserie befaßte sich etwa die in London erscheinende libanesische Zeitung Al-Hayat mit diesem Thema. Seit 1988 hätten sich die Beziehungen beider Länder wiederbelebt, schreibt die Zeitung. Schließlich sei es schon 1922 das serbisch-kroatische Königreich gewesen, das als einer der ersten Staaten die Balfour- Deklaration von 1917 begrüßt hatte. Darin sagte die britische Regierung die „Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk“ zu. Auf dieser Grundlage wird dann in der Serie eine Art „historischer Kontinuität“ der Beziehungen Israels mit Belgrad bis in die Gegenwart konstruiert: Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen von Titos Jugoslawien zu Israel 1967 sei „nur ein Zwischenspiel“ gewesen. Seit vier Jahren laufe wieder ein reger kultureller Austausch zwischen Belgrad und Tel Aviv. Dies fände in gemeinsamen Fernsehprogrammen, Städtepartnerschaften und Kooperationsverträgen von Berufsverbänden seinen Ausdruck. Propagandistisch besonders wirkungsvoll ist natürlich die vage assoziative Verknüpfung der „von Belgrad“ Verfolgten mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten. Eines der Felder der Zusammenarbeit zwischen Belgrad und Israel, so schreibt denn auch die Zeitung, sei in den späten achtziger Jahren die Aufstandsbekämpfung gewesen. Damals sei es um den Erfahrungsaustausch bei der Bekämpfung der palästinensischen Intifada und des Widerstands der Kosovo-Albaner gegangen.
Auch von der serbischen Opposition könnten die Araber nicht viel erwarten, schreibt Al-Hayat am Ende der Serie. Deren Führer Draskovic hätte sich z.B. bereits mit dem als besonders rechtsstehend bekannten ehemaligen israelischen Wohnungsbauminister Ariel Scharon getroffen. Außerdem enthielten einige der Bücher des Schriftstellers Draskovic rassistische Äußerungen gegen Muslime, Araber und gegen das palästinenische Volk.
Der bosnische Außenminister versucht, diese Atmosphäre der Solidarität mit Bosnien und die Abneigung gegen Serbien in der arabischen und islamischen Welt für sein Land zu nutzen. Er tourt gerade auf der Suche nach weiterer Unterstützung durch den Nahen Osten. Auf dem Programm stehen die Türkei, Iran, Pakistan, Syrien, vielleicht Saudi Arabien und Ägypten. Mustafa Ibrahim vom ägyptischen Ärztekomitee, würde mit bosnischen Ministern jedenfalls gerne über weitere Formen der islamischen Solidarität diskutieren.
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