: Der Momper-Senat mogelte für Mercedes
■ Rechnungshof rügt Grundstücksgeschäft mit Daimler-Benz/ Senat mißachtete Bestimmung und gab Daimler zehn Prozent Rabatt
Berlin. Jetzt ist es amtlich: Der Senat hat gemogelt, als er im Frühjahr 1990 den Kaufpreis festlegte, für den Daimler-Benz ein gut 60.000 Quadratmeter großes Grundstück am Potsdamer Platz erwerben konnte. Der Präsident des Landesrechnungshofes, Horst Grysczyk, sprach gestern von einer »unauffälligen Auffälligkeit« bei der offiziellen Wertermittlung für das Grundstück. Der Senat habe damals die Grundstücksverordnung mißachtet und mit Daimler- Benz einen Quadratmeterpreis von 1.505 Mark ausgehandelt, ohne zuvor — wie vorgeschrieben — den Grundstückswert korrekt ermittelt zu haben. Grysczyks Kritik ist eine schallende Ohrfeige für Bausenator Wolfgang Nagel und den Ex-Regierenden Walter Momper (beide SPD): Sie hatten stets beteuert, der Kaufpreis habe sich strikt nach dem offiziellen Verkehrswert gerichtet.
Die Akten, die der Rechnungshof einsehen konnte, sprechen eine andere Sprache. Danach wollte die Wertermittlungsstelle bei der Senatsbauverwaltung ursprünglich mit 1.680 Mark einen um zehn Prozent höheren Quadratmeterpreis verlangen. In einer letzten Verhandlungsrunde am 5. April 1990 habe Daimler-Benz dagegen auf einem »Kaufpreis von höchstens 1.500 Mark beharrt«. »Um ein Scheitern der Verhandlungen zu vermeiden«, so die Schilderung des Rechnungshofs, machte der Senat darauf das Angebot über 1.505 Mark pro Quadratmeter. Daimler stimmte dem Vorschlag zu.
Erst einen Tag nach dieser letzten Verhandlungsrunde verlangte die Senatsfinanzverwaltung von der Senatsbauverwaltung die Erstellung eines offiziellen Verkehrswertgutachtens. Am 28. Mai 1990 legten Nagels Beamten ihr Ergebnis vor: Jetzt errechneten sie — Überraschung! — einen Quadratmeterpreis von 1.505 Mark, soviel wie bereits mit Daimler-Benz vereinbart, aber zehn Prozent weniger als ursprünglich veranschlagt. Der zuständige Abteilungsleiter Rainer Möckel verteidigte diesen Abschlag laut Rechnungshof mit den Worten, es gebe einen »Toleranzspielraum, der bis zur untersten Grenze des Vertretbaren ausgeschöpft worden sei«. Urteil des Rechnungshofs über diese Ausrede: »Nicht überzeugend«. Nagels Pressestelle und Möckel persönlich gingen gestern auf Tauchstation und verweigerten eine Stellungnahme zu der Rechnungshofschelte.
SPD und CDU, die das Daimler- Geschäft 1990 gegen die Stimmen der damals mitregierenden AL durchsetzten, müssen damit schon die zweite schallende Ohrfeige von offizieller Seite einstecken. Erst kürzlich hatte die EG-Kommission den Quadratmeterpreis von 1.505 Mark als zu niedrig kritisiert und Daimler-Benz — wie berichtet — zu einer Nachzahlung von 33,8 Millionen Mark verdonnert.
Der Vertrag mit Daimler-Benz ist für den Rechnungshof auch aus anderen Gründen kritikwürdig. »Nachteilige finanzielle Folgen« für das Land Berlin befürchten die Prüfer auch deshalb, weil sich der Senat verpflichtet habe, ein mitten im Kaufgrundstück gelegenes Privatgrundstück auf eigene Kosten zu erwerben und für 1.505 Mark an Daimler-Benz weiterzugeben. Um seine Kritik an den Wertermittlungen der Bauverwaltung zu untermauern, rollt der Rechnungshof in seinem Bericht auch ein Geschäft aus dem Jahr 1988 auf. Damals wollte der CDU/FDP- Senat von der Firma Herlitz ein Grundstück in Tiergarten kaufen und stellte einen Kaufpreis von 47 Millionen Mark »in Aussicht«, obwohl die Verkehrswertermittler zunächst einen Wert von nur 41,5 Millionen festgestellt hatten. Der Senat kaufte das Grundstück später trotzdem für 47 Millionen und hatte dann auch ein offizielles Gutachten der Bauverwaltung in der Hand, das diesen Wert bestätigte. Der Rechnungshof konnte »nicht nachvollziehen«, wie die Wertermittler zu diesem revidierten Ergebnis gekommen waren. Auch an zahlreichen anderen Stellen werde vom Senat immer noch Geld verschenkt, kritisierte Grysczyk. Trotz der knappen Haushaltslage, so der Präsident, habe er »nicht bemerkt«, daß sich die einzelnen Verwaltungen um mehr Sparsamkeit bemühten. Das Verwaltungshandeln werde »weiterhin von isolierten Ressort- und Fachinteressen geprägt«. Hans-Martin Tillack
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen