: San Franciscos Homosexuelle: Emanzipation beim öffentlichen Nahverkehr
■ "Family Values" für alle
„Family Values“ für alle
San Francisco (taz) — Die S-Bahn- Gesellschaft von San Francisco und Umgebung hat beschlossen, lesbische und schwule Lebenspartner ihrer Angestellten an deren Gesundheitsvorsorge teilhaben zu lassen. Das Direktorengremium des Bay Area Rapid Transit System (BART) entschied Ende der vergangenen Woche mit fünf zu vier Stimmen, Schwule und Lesben mit verheirateten Partnern gleichzustellen.
Dabei votierten die Direktoren aus der Großstadt für die „domestic partnership provision“ genannte Politik, während die Direktoren aus den Vorstädten dagegen votierten. Die S-Bahn-Bosse konnten sich noch nicht darauf einigen, auch unverheiratete heterosexuelle Paare bei der medizinischen Versorgung den Verheirateten gleichzustellen. Allerdings erwarten Sprecher der zuständigen Transportgewerkschaften, daß nach der Entscheidung für die Homos jetzt auch die Gleichstellung „wilder“ Hetero-Ehen bald erfolgen wird. Es wird geschätzt, daß rund 15 Prozent der 2.600 Angestellten von BART die neue Möglichkeit wahrnehmen, was Zusatzkosten von 300.000 Dollar ausmachen könnte.
Michael Bernick, Direktor von BART aus San Francisco, hat ganze zwei Jahre gebraucht, die Gleichstellung von Schwulen und Lesben durchzusetzen. „Gebt ihnen, was sie verdienen“, sagte Bernick bei der Direktorensitzung. Die neue Politik von BART diskriminiere unverheiratete Heteros nicht, meint Bernick. Die hätten ja immerhin „die Option, zu heiraten“.
Die Politik der „domestic partnership provision“ ist an der Westküste der USA keine brandneue Angelegenheit, wie Matt Coles von der Bürgerrechtsorganisation America Civil Liberties Union (ACLU) in San Francisco der taz-Wahrheit sagte. Die Städte Berkeley, Seattle (Washington State) und natürlich San Francisco haben eine entsprechende Gleichstellung ihrer lesbischen und schwulen Angestellten bereits eingeführt. In allen diesen Städten gibt es starke Lobby-Gruppen für die gleichgeschlechtliche Sache. Große Firmen wie der Jeanshersteller Levi Strauss und der Medienkonzern MCA Communications sowie kleine Unternehmen haben sich angeschlossen. Auch in einigen Städten und Firmen anderer Landesteile beginnt „domestic partnership provision“ sich langsam durchzusetzen.
Ein Vertreter der ultrakonservativen Traditional Values Coalition (TVC) aus der Stadt Concord hingegen hetzte gegen die Emanzipationspolitik. „Wir haben die Bahndirektoren gewählt, damit die für pünktlichen Zugverkehr sorgen. Sie sind nicht dafür da, den sozialen Fortschritt voranzubringen“, sagte Mark Zapalik von der fundamentalistisch- religiösen Organisation. Die TVC aus dem kalifornischen Anaheim und ihr Führer Reverend Lou Sheldon spielen eine immer wichtigere Rolle im Feldzug Präsident Bushs für eine Wiederbelebung der „family values“. Das Netzwerk der TVC aus etwa 25.000 Kirchen, das von der Westküste bis Washington D.C. reicht, hat es besonders auf Schwule und Lesben, die mögliche gleichgeschlechtliche Ehe und das Recht auf Abtreibung abgesehen.
TVC-Führer Lou Sheldon wird am 17.August auf der Partei-„Convention“ der Republikaner in Houston sprechen. Sheldon hatte den republikanischen Gouverneur von Kalifornien, Pete Wilson, im vergangenen Jahr davon überzeugt, daß er sein Veto gegen ein Gesetz einlegt, das sich gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben im Arbeitsleben wendet. Hans-Hermann Kotte
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