MIT EUROPAS STAATSKONZERNEN AUF DU UND DU
: Gut gefüllte Römertöpfe

■ Italiens Regierung will Parteienpfründen an den Kragen

Rom (taz) — Giuliano Amato hat sich viel vorgenommen. Die Hürde von Maastricht fest im Visier, müht sich der italienische Regierungschef nicht nur verzweifelt, das gigantische Loch in der Staatskasse zu stopfen und dem Land eine haushaltspolitische Schlankheitskur zu verpassen. Nein, auch den Staatsholdings, seit eh und je ein Hort von Mißwirtschaft, Schlendrian und Schlamperei, will „Doktor Feingeist“ an den Kragen. Italien dürfe nicht das „letzte Land des realen Sozialismus“ werden, hatte Alt- Schatzminister Guido Carli bereits im Januar den römischen Senat zur Privatisierung der ausgeprägten Staatswirtschaft gedrängt. Nun sollen die Konzerne den Klauen der Parteien entrissen werden.

Die erste Runde konnte Amato bereits für sich verbuchen: Die vier Staatsmonster IRI, ENI, INA und Enel, bislang öffentlich-rechtliche Körperschaften, wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt. Die italienische Presse war begeistert — und übersah dabei, daß die vier Industriegiganten durch den Coup dafür noch enger an das Tesero, die Schatzkanzlei, gebunden wurden. Und auch die Parteifunktionäre dürften wohl kaum schlaflose Nächte haben: Auch künftig garantiert, vom öffentlichen Sektor einmal ganz abgesehen, ein umfassendes Netz staatlicher Banken, Fabriken und Firmen den Privilegienjägern eine Spielwiese für Einfluß und Macht, für Vetternwirtschaft und Finanzmanipulationen.

Knapp zehn Prozent des produktiven Sektors machen in Italien die Staatsunternehmen aus; der italienische Kapitalmarkt wird zu drei Vierteln von staatlichen Banken und Kreditinstituten kontrolliert. Allein unter den vier Staatsholdings hat Italien über 1.000 Firmen angesammelt — von Microwellenherstellern und Supermärkten bis zu Chemiegiganten und Raumfahrtunternehmen. Doch nur ein Bruchteil der Firmen sind profitabel, wie etwa einige Sparten des bis vor kurzem noch chronisch defizitären Energie- und Chemiekonzerns ENI (Umsatz: rund 64 Mrd. Mark) oder der Lebensmittelkette SME. Das mit 81 Milliarden Mark verschuldete Industrie- und Bankenkonglomerat IRI (Umsatz: knapp 100 Mrd. Mark) rutschte mit seinem Industriebereich durch die strukturellen Probleme der Eisen-, Stahl- und Autobranche in die roten Zahlen. Am schlechtesten steht die Efim (Umsatz: 6,7 Mrd. Mark) da: Mit Verbindlichkeiten von rund 17 Milliarden Mark ist der Mischkonzern, dem etwa Agusta (Helicopter), Alumix und Oto Melara (Maschinen) angehören, praktisch bankrott und muß wohl liquidiert werden. Noch bis vor vier Jahren hatten die in Europa einzigartigen Subventionen (1988 waren es noch umgerechnet 54 Milliarden Mark) die Konzerne bei Laune gehalten. Doch seither schrumpfen die Alimente. Und was die Ineffizienz angeht, werden die staatlichen Industriebetriebe nur noch von Italiens Eisenbahn, der Post und der Telefongesellschaft übertroffen. Wen wundert es da, daß die Experten bei der anstehenden Privatisierungsrunde in diesem Jahr lediglich mit Einnahmen von rund 2,5 Milliarden Mark rechnen. Erwin Single