: „Gaertner macht's ohne!“
■ Rat-&-Tat-Zentrum bald ohne Präventions-Stelle
Ein Anti-Aids-Slogan ermuntert flott: „Mach mit, mach's mit Kondom!“ Und „Frau Gaertner macht's ohne“ stand gestern auf einem der Protest-Plakate, mit denen mitten in die feierliche Eröffnung der Aids Ausstellung (vgl. S. 24) Mitarbeiter des Rat- &Tat-Zentrums für Schwule respektlos mit ihrer dringendsen Sorge hineinplatzten.
Hinter dem „ohne“ stand noch klein: „Präventions-Stelle“, denn um die gehts: Als „nicht förderungswürdig“ hat die neue Gesundheitssenatorin die einzige ABM, die auf Präventionsarbeit in der schwulen und bisexuellen Szene ausgelegt ist, eingestuft. Und wenn sie für Herbst 1993 keine feste Stelle verspricht, wird diese ABM jetzt kein drittes Mal verlängert. Obwohl nach der HIV-Infektionsrate überhaupt kein Grund zur Entwarnung zu erkennen ist, sagt Marcus Kaminski von Rat&Tat, obwohl Schwule und Bisexuelle die größte HIV-Gruppe auch in Bremen bilden, weit vor den Junkies. Und weil diese verdeckt lebende Klientel so schwer zu erreichen ist, hatte man sich von der aufsuchenden Präventionsarbeit so viel versprochen: Der Mitarbeiter ging raus und an die schwulen Treffpunkte, saß im Park auf Bänken, besuchte schwule Saunen, Sex-Shops, Discos, Bars, bestückt mit kleinen „cruising“-Päckchen voller Kondome, Info-Schriften, Gleitcreme, Pfeifchen gegen Überfälle. Das waren Info-Materialien und zugleich Gesprächs-Anlässe, um mit den schwulen Männern außerhalb der normalen Beratungsstellen ins Gespräch zu kommen.
„Unmöglich, daß wir diese Arbeit mitübernehmen“, sagt Kaminski: Die ehrenamtlichen und festen Mitarbeiter sind wegen der steigenden Aids-Zahlen kaum noch in der Lage, sich gegeseitig in Urlaubs- und Krankheitsfällen zu vertreten: 41 Vollbild-Kranke wurden 1991 betreut, —zig HIV-Infizierte kamen zu Beratungen und offenen Treffs. Daß ausgerechnet zeitgleich mit der großen Aids-Ausstellung die einzige Bremer Präventions-Stelle weggestrichen wird, findet Kaminski einen Hohn. Rat&Tat will noch vor den Haushaltsberatungen Druck machen. Die Senatorin wollte gestern „diese Ausstellung nicht umfunktionalisieren“, aber „sehen, was zu machen ist“.
S.P.
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