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Selbsthilfe

■ betr.: "Harte Welle auf der Drogenszene", taz vom 7.8.92

betr.: „Harte Welle auf der Drogenszene“, taz vom 7.8.92

[...] Solange eine benutzte Spritze als Anlaß der Strafverfolgung dient, ist der Spritzenaustausch als HIV/Aids- Prävention in Frage gestellt und verkommt zu einer hilflosen Alibimaßnahme.

An der katastrophalen medizinischen Versorgung von I.v.-DrogengebraucherInnen wird sich auch durch den Einsatz eines mobilen Arztzimmers wahrscheinlich aller Voraussicht nach grundsätzlich nichts ändern. Bereits jetzt zeigen sich die Grenzen solch „niedrigschwelliger“ medizinischer Versorgung, wie sie von Kontaktläden wie STRASS und OLGA angeboten wird, den zahlreichen gesundheitlichen Problemen, die unter den Bedingungen des illegalen Konsums entstehen, kann sie nicht gerecht werden. Für die allgemeine medizinische Versorgung der Bevölkerung, also auch für DrogengebraucherInnen, sind die Berliner Krankenhäuser verantwortlich. Doch in den meisten Kliniken fehlt es sowohl an der Bereitschaft als auch an Sachwissen, drogengebrauchende PatientInnen angemessen zu versorgen. Wenn man/frau als Fixerin nicht gleich abgewiesen wird, muß man/frau sich oft konzeptionslosen Behandlungen unterziehen. Wenn nicht eh ein kalter Entzug verlangt, sondern substituiert wird, dann z.T. mit Atosil, Valium, Haldol, Distraneurin u.a. unangemessenen Mitteln.

Von einem „Ausbau der Substitution“ durch den Landesdrogenbeauftragten kann nicht die Rede sein. Vielmehr wurden die Finanzmittel und das Betreuungsangebot erheblich reduziert (für Selbsthilfe gibt es gar nichts), während zugleich vom Bundesgesundheitsministerium mit dem Entwurf der 4. Betäubungsmitteländerungsverordnung die Bedingungen der Substitution mit Polamidon erheblich eingeschränkt werden. Die darin festgeschriebene Verquickung der Polamidonvergabe mit Psycho- und Sozialtherapie ist ein Ausdruck des entmündigenden und kontrollierenden Charakters dieser Behandlungen. Die grundgesetzlich garantierte freie Arzt- und Therapiewahl gilt nicht für Substituierte. Von etwa 10.000 DrogengebraucherInnen Berlins erhalten lediglich ca. 400 Polamidon. Eine Erhöhung der Kapazitäten auf 2- bis 3.000 wäre durch die Einrichtung von Polamidon-Ambulanzen in Krankenhäusern möglich. Wo bleibt der „niedrigschwellig“ Polamidon verteilende Bus? Von der Übernahme der Kosten für die Remedacen-Behandlungen durch Sozialbehörden/Krankenkassen oder der Vergabe injizierbaren Methadons u.a. Ersatzstoffen oder Originalpräparaten ganz zu schweigen!

Über Druckräume darf noch nicht einmal auf Fachtagungen (wie der vom Bezirk Tiergarten initiierten im März diesen Jahres) diskutiert werden. Solche Druckräume böten die Möglichkeit zu einer kontrollierten und hygienischen Applikation der Drogen, so daß Sekundärkrankheiten vermieden werden könnten. Bei Überdosierungen könnte unverzüglich geholfen und so Todesfälle verhindert werden. Das in Berlin angebotene Straßenheroin ist zwar billiger, aber nicht reiner geworden. Bisweilen besteht der angebotene Stoff fast nur noch aus fatal wirkenden Beimengungen wie Strychnin!

DrogengebraucherInnen können nicht auf die angeblich neuen Ansätze der staatlichen Drogenhilfe vertrauen. Da bleibt nur die Selbsthilfe. Alle, die an einer Veränderung der Situation und an der Selbsthilfegruppe JES (Junkies, Ex-User, Substituierte) interessiert sind, treffen sich wöchentlich in den Räumen der Berliner Aids-Hilfe, Meinekestraße 12, Bln 15, Tel.: 8833017, am Dienstag um 17 Uhr.

Schwerpunkte aus unserem Forderungskatalog sind u.a. Entkriminalisierung der DrogengebraucherInnen, humane Entzugsmöglichkeiten, unbürokratische Hilfe bei Polamidon-/Remedacenvergabe, Geld für Selbsthilfegruppen — um nur einige zu nennen. JES, Berlin

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