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Die Reisediplomatie des Milan Panic

■ Mit hektischen diplomatischen Bemühungen versucht der Ministerpräsident Rest-Jugoslawiens, eine militärische Intervention zu verhindern/ ABC-Reporter in Sarajevo von Heckenschützen getötet

Sarajevo (AP/AFP/taz) — Als Milan Panic vor rund einem Monat zum Ministerpräsidenten Rest-Jugoslawiens gewählt worden war, bat er um eine Frist von 100 Tagen. In dieser Zeit wolle er mit Reisen „rund um die Welt“ Frieden auf dem Balkan schaffen. Diesem Frieden ist Panic bisher zwar kein Stück nähergekommen, seine Reisepläne hat er jedoch verwirklicht: Nachdem er in den letzten Tagen Blitzbesuche in Griechenland, Albanien und der Türkei absolviert hat, reiste er gestern bereits zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen nach Sarajevo. Doch nachdem bereits das erste Treffen mit dem bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic erfolglos abgebrochen werden mußte, ist auch der Erfolg dieses Besuches mehr als fraglich. Als bei der Fahrt vom Flughafen zum UNO- Hauptquartier der Konvoi des Regierungschefs unter Heckenschützenfeuer geriet, wurde ein amerikanischer Journalist getötet.

Ein Treffen mit Izetbegovic kam gar nicht erst zustande. Der bosnische Präsident formulierte mit wenigen Worten, welche Bedeutung er der Politik des US-Serben beimißt: Für ein Treffen mit Panic habe er keine Zeit.

So vertrieb der Ministerpräsident sich seine Zeit mit der Überprüfung der Passierbarkeit einer „neuen Straße“ zwischen Belgrad und Sarajevo. Bisher freilich war es nur den UNO-Truppen möglich gewesen, die beiden Städte auf dem Landweg zu verbinden, und auch in Sarajevo hatte bisher niemand etwas von der „neuen Straße“ gehört.

Unklar blieb, wer das Feuer auf den Konvoi des Ministerpräsidenten eröffnet hatte. Sowohl die Serben in Bosnien als auch die moslemische Bevölkerung der Republik hätten dazu — ihrer Ansicht nach — allen Grund. Denn noch am Vortag hatte Panic bei seinem Besuch in der Türkei die Anerkennung Bosnien-Herzegowinas „in den bei der Unabhängigkeitserklärung bestehenden Grenzen“ angekündigt. Gleichzeitig verband er diese Anerkennung aber mit der Forderung, daß die UNO die Drohung einer militärischen Intervention fallenlasse. Die zeitgleiche formelle Ausrufung einer „serbischen Republik“ innerhalb Bosniens hatte sein Angebot zusätzlich konterkariert.

Diese selbsternannte Republik hat nicht nur einen Namen gewählt, der dem der benachbarten Republik Serbien mehr als nur ähnelt. Zugleich gleicht auch die blau-weiß-rote Fahne derjenigen der serbischen Nachbarn. Mit Serbien, aber auch mit der „serbischen Krajina-Republik“ in Kroatien soll über eine Währungs- und Zollunion, über die Bildung eines gemeinsamen Marktes und die Zusammenarbeit bei Verteidigungsfragen verhandelt werden. Pläne, zu denen Panic keine Stellungnahme abgab, die jedoch die Grenzen eines zukünftigen „Großserbien“ deutlich vorzeichnen. Zudem hat Panic die Anerkennung Bosniens lediglich angekündigt, tatsächlich anerkannt wurde bisher allein die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Slowenien.

Wie Panic sich den Friedensprozeß in Bosnien vorstellt, hat er bei seinen Gesprächen mit der türkischen Regierung deutlich gemacht: Die Republik müsse entmilitarisiert werden, alle Militärflughäfen Bosniens und Jugoslawiens sollten der UNO-Kontrolle unterstellt werden. Die Wiedersprüchlichkeit seiner Vorstellungen kam jedoch auch hier zum Ausdruck: Bei der Entmilitarisierung könne gerade die jugoslawische Armee, diejenigen Soldaten also, die die serbischen Freischärler massiv unterstützen, eine wichtige Rolle spielen.

Panic sieht dies freilich anders. Seiner Ansicht nach gibt es in ganz Bosnien keine jugoslawischen Soldaten mehr. Aber auch eine weitere Vorstellung des innovativen Ministerpräsidenten scheint kaum realisierbar: Im Falle einer UN-Mission zur Entwaffnung der serbischen Miliz in Bosnien solle gerade die Türkei die Leitung des Einsatzes übernehmen. Über das zukünftige Eingreifen der UNO in Bosnien sollte in New York am späten Donnerstag abend der Weltsicherheitsrat beraten. Bereits vor der Abstimmung über die vorliegenden zwei Resolutionen wurde bekannt, daß sich von den 15 Mitgliedsstaaten allenfalls China der Stimme enthalten werde. her

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