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Fußballclub oder Laienbühne

■ FC St. Pauli: Lorkowski-"Interview sorgen für Verstimmungen in der Millerntor-Familie

: Lorkowski-„Interviews“ sorgen für Verstimmungen in der Millerntor-Familie

„Mir ist normalerweise schon unwohl, wenn ich in diese Zeitung gucke. Aber heute ist mir besonders schlecht geworden“, äußerte sich St. Pauli-Manager Christian Hinzpeter angesichts eines Interviews des Hamburg-Sportteils einer überregionalen Boulevardzeitung mit St. Pauli-Trainer Michael Lorkowski.

Lorkowski greift in dem am Freitag veröffentlichten Interview seine Mannschaft aufs heftigste an: „St. Pauli spielt seit zwei Jahren beschissenen Fußball. Wir haben heute keine echten St. Paulianer mehr. Wenn diese Mannschaft trotzdem aufsteigt, laufe ich weg, so schnell ich kann. Mit dieser Mannschaft ist man eher wieder unten, als man bis drei zählen kann“, wird der St. Pauli Trainer dort zitiert. Aussagen, die Hinzpeter gestern mit Lorkowski bei einem Bier klären wollte, und die auf großes Unverständnis bei dem Advokaten stießen. „Schließlich weiß der Michael Lorkowski, wie bei St. Pauli gearbeitet wird, und wenn er durch solche Äußerungen die Mannschaft heiß machen möchte, hat er den verkehrten Weg gewählt“, kritisiert Hinzpeter seinen Trainer.

Obschon: Es wird bezweifelt, ob dieses Interview in dieser Form überhaupt stattgefunden hat. Laut Informationen der taz ist Michael Lorkowski nach der Heimschlappe gegen Rostock mit St.Pauli-Altstar Sonny Wenzel ins September ein Bier trinken gegangen. Dort hat Lorkowski Wenzel sein Leid geklagt. Er sei frustriert über die ausbleibenden Erfolge am Millerntor und er vermisse die alten St. Pauli- Tugenden bei seinen Spielern, ließ der Fußballehrer dort verlauten. „Die Spieler kämpfen zwar noch um jeden Ball, aber die glasigen Augen beim Spiel, das unbedingte Gewinnenwollen, fehle bei den heutigen Spielern“, grantelte Lorkowski weiter.

Äußerungen, aus denen Schreiberlinge der zwielichtigeren Art eine Menge machen können. So ist es auch nicht verwunderlich, daß sich neben der einsilbigen Boulevardpostille auch Vertreter der dreisilbigen Konkurrenz dort einfanden und am selben Tag mit einem ähnlichen „Gespräch“ mit Michael Lorkowski aufwarteten. Merkwürdig ist einzig und allein, daß der Übungsleiter nicht von seinen schlechten Erfahrungen aus seiner Hannoveraner Zeit gelernt hat — dort wurde er trotz Erfolgen von der Presse niedergeschrieben — und es an der nötigen Vorsicht mangeln ließ.

Sonntag nachmittag um 15 Uhr sind jedenfalls die gescholtenen Spieler wieder die Protagonisten im St. Pauli Theater. Dann müssen sie beim Tabellenletzten Fortuna Düsseldorf zeigen, ob sich die guten spielerischen Ansätze vom Rostock-Spiel fortsetzten lassen und ob sie gegen solche publizistischen Gewitterstürme resistent sind.

kader

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