: Die meisten Juden wollen in Sarajevo bleiben
Die „Jewish Agency“ fordert zur Emigration nach Israel auf/ Erste israelische Hilfssendungen nach Bosnien angekündigt ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Hundert Juden aus dem ehemaligen Jugoslawien, darunter auch Flüchtlinge aus Bosnien, sind am Mittwoch in Israel eingetroffen. Sie folgten den Aufforderungen der „Jewish Agency“, das Kriegsgebiet zu verlassen. Die Agency ist das Exekutiv- Organ der zionistischen Weltorganisation, und beschäftigt sich in erster Linie mit der Einwanderung von Diaspora-Juden nach Israel. Ihr Einwanderungschef, Uri Gordon, bemüht sich seit einem Jahr, die 6.000 jugoslawischen Juden zur Auswanderung nach Israel zu bewegen. Doch bis zur Eskalation des Bürgerkriegs in Bosnien-Herzegowina folgten nur 400 Menschen aus den verschiedenen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens seinem Ruf. Weitere 171 Kinder und Jugendliche sowie rund 100 Erwachsene kamen zwar nach Israel, ziehen jedoch einstweilen den Status von Touristen dem der „Einwanderer“ vor.
Besonders in Sarajevo wurden die Juden von den zionistischen Vertretern gewarnt, sie könnten ihre vielleicht letzte Rettungsmöglichkeit verpassen. Als erster Regierungsbeauftragter fuhr in dieser Woche Jossi Sarid von der israelischen Linkspartei Meretz nach Bosnien-Herzegowina. Bei seiner Rückkehr kündigte er eine erste israelische Hilfssendung nach Sarajevo für die kommende Woche an. Außerdem werde eine israelische Gruppe von Ärzten und Krankenschwestern ein kleines Feldspital in Sarajevo errichten — vorausgesetzt, die UNO übernehme den Schutz des Personals.
Außenminister Peres kündigte am Dienstag die bevorstehende Ankunft von 300 weiteren bosnischen Juden an, die bereits auf dem Weg nach Israel seien. 200 weitere Juden (von den ursprüngliche 900 Juden in Sarajevo) seien unterwegs nach Zagreb. Die übrigen 400 Juden beabsichtigen, am Ort zu bleiben, wo sie jedoch bereit seien, Hilfe aus Israel entgegenzunehmen, meldete Peres. Als weitere humanitäre Hilfe könne Israel verwundete Kinder oder islamische Waisen ins Land holen. In Israel hätten sich zahlreiche arabische Familien gemeldet, die solche Kinder aufnehmen oder adoptieren würden.
Unterdessen protestierten am Dienstag einige hundert Juden und Araber in Tira, einer arabischen Kleinstadt nördlich von Tel Aviv, gegen die Greueltaten in Bosnien und gegen die „ineffektive Reaktion der Weltöffentlichkeit“. Auch Knessetmitglieder rechter und linker Parteien nahmen teil. Der neue Knessetvorsitzende Schewach Weiss (Arbeitspartei) sagte, die Konzentrationslager und ihre Insassen in Bosnien erinnerten ihn an die Anfänge des Holocaust. Eine internationale Kommission solle untersuchen, was in den Lagern passiert.
Am selben Tag demonstrierte die israelische islamische Bewegung vor der jugoslawischen Botschaft in Tel Aviv gegen die serbischen Massaker. Ihr Sprecher, der Bürgermeister von Um el-Fahm, Scheich Raed Sallah sagte: „Wir wollen die israelische Öffentlichkeit dafür gewinnen, ihre Stimme gegen die Verletzung der Menschenrechte in Bosnien zu erheben und, so wie wir, humanitäre Hilfe für die Opfer der Angriffe und Vertreibungen zu leisten.“
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