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Der Regen kam pünktlich zum Wassernotstand

Seit heute muß in Hessen mit dem Wasser gespart werden/ Frankfurt wirbt für Sparsamkeit/ Villenbesitzer sprengen den Rasen heimlich nachts  ■ Aus Frankfurt/M. Heide Platen

Wassernotstand in Hessen? Ab morgen? Ein stetiger grauer Nieselregen fällt und fällt und fällt am Freitag Vormittag auf die Hausgärten in Frankfurt-Bornheim. All die potentiellen Gesetzesbrecher, die natürlich heimlich ihre Tomaten gewässert, ihren Rasen gesprengt hätten, sind sichtlich beruhigt. Die Natur ist ihrer Meinung nach doch noch in Ordnung, die Vision von der Sahara am Main schlichte Panikmache „von dene da obbe“. Aber, meint der Nachbar mit Blick zum wolkenverhangenen Himmel: „Der da ganz obbe hat's dene abä gezeischt!“ Dabei hält er sich selbst fast für einen Ökologen, hat damit ganz irdische Probleme und jedes Jahr im Sommer einen Familienkrach. Zankapfel ist die Regentonne, deren Wasserstand er regelmäßig prüft. Trotz Holzdekkel ist sie nach Meinung von Frau und Tochter ein „Schnakenloch“, in dem die Mückenbrut sich ein dichtgedrängtes Stelldichein gibt. Sie schütten das kostbare Naß regelmäßig heimlich aus. Überhaupt, schimpft die Tochter, haben fortschrittliche Leute heutzutage wenigstens eine eingegrabene Zisterne im Garten, die das Regenwasser kiesgefiltert und staatlich bezuschußt unter der Erde speichert.

Wie weit Verbote, in einigen hessischen Kommunen gesondert erlassen, überhaupt greifen können und Verstöße wie Gartengießen und Autowaschen sanktionierbar sind, davon können zum Beispiel die Gemeinden Usingen, Bad Homburg und Kronberg mit ihren Villenvierteln ein leidvolles Lied singen. Schon im April warnte das Regierungspräsidium vor Verschwendung, im Mai wurde dort der Wassernotstand ausgerufen. Seither rauschen die Gartenschläuche nachts. Auch die privaten Fischteiche und Schwimmbekken füllen sich unversehens bis zum frühen Morgen wieder. Dennoch gelang es dem strengen Usingen, den monatlichen Wasserverbrauch von 61.000 auf 50.000 Kubikmeter zu senken.

Hessens CDU läuft seit Wochen Sturm gegen die rot-grüne hessische „Verbotspolitik“ , die „unausgoren und reine Panikmache“ sei. Sie warnt vor dem Ruin von Tankstellen ohne Wasserkreislauf und vor dem Verfall von Tennis- und Sportanlagen. Natürlich sei auch sie für das Wassersparen, aber „doch nicht mit brachialen Verboten“. Die Wassernotstand-Verordnung von Umweltminister Joschka Fischer jedenfalls habe lediglich ein „heilloses Durcheinander“ produziert. Statt Wassermangel herrsche bei der Bevölkerung „Informationsnotstand“.

Die Sumpfdotterblumen, Ente und Eisvogel, der Fuchs und der Frosch gucken seit einer Woche possierlich von den Plakatwänden auf die Frankfurter Menschen herab. Sie drohen damit, zu vertrocknen, zu verhungern und zu verdursten, wenn selbige nicht endlich damit aufhören, Wasser zu verschwenden. Die Stadtwerke versuchen seit einer Woche eine Sparkampagne mit bunten Broschüren und Presseaufrufen. Umweltdezernent Tom Koenigs fütterte gar ein Zwergnilpferd mit einer Mohrrübe, um es fotogen zu einer der sieben neuen Brauchwasser- Zapfstellen der Stadt zu locken. Das Tier gehört, Ironie der Stunde, zum Ensemble des Schweizer Zirkusses „Fliegenpilz“, der seine üppige Wasserschau bisher mit 300.000 Liter Trinkwasser am Laufen hielt. Ab sofort bekommt er Brauchwasser. Auch der Zoo hat sich umgestellt. Er erhält seine 366.000 Kubikmeter schon seit einem halben Jahr aus dem Grundwasser der U-Bahn-Baustelle. Der U-Bahn-Bau wiederum ist mit schuld daran, daß das unterirdische Flußnetz des einst wasserreichen Frankfurt weitgehend zerstört ist. Eine Arbeitsgruppe soll die Weichen neu stellen und damit auch die Bevölkerung des Vogelsberges befrieden, deren Bürgerinitiativen seit Jahren gegen den wasserverschlingenden Moloch Frankfurt wettern. Das, sagt einer, ist hier schon „ein kleiner Euphrat-Konflikt“.

Im ersten Öko-Bürohaus in Frankfurt plätschern die Bäche munter durch das Glashaus. Für Gerd Heinemann von der Verwaltung ist der Regen ein wahrer Segen. Die Klimatisierung des Neubaus braucht einen funktionierenden Wasserkreislauf. Die Pflanzen allerdings, zu spät eingesetzt, müssen vorerst noch von Hand bewässert werden. „Wenn das alles mal richtig läuft, ist es so berechnet, daß wir mit den Vorräten aus den drei Teichen auch über Trokkenzeiten hinweg kommen.“ Aber in diesem Jahr klappt es eben noch nicht. „Im Zweifelsfall“, überlegt Heinemann, „hätten wir draußen alles vertrocknen lassen müssen.“ Und außerdem die rechtliche Frage zu klären gehabt, ob der große Glasvorbau „draußen“, und damit wie jeder Kleingarten vom Verbot betroffen, oder „drinnen“ wie jedes Blumenfenster ist. Das hätte er sehr peinlich gefunden. Weiß er doch, daß die laut CDU „völlig verunsicherten Bürger“, die bei den Behörden vorab um Sondergenehmigungen nachsuchten, unter anderem Golfplatz-Betreiber und jene vornehmen Tennis- Clubs sind, die ihre Anlagen bei heißem Wetter gleichmäßig berieseln, damit sie nicht so sehr stauben.

Peter Z. dagegen ist zufrieden. Er spart seit Jahren Wasser und wurde dafür bisher in der Familie als Sonderling belächelt. Das Wasser aus der Waschmaschine füllt er in die Toilettenspülung, das Auto wird mit Badewasser geschrubbt. Seine Hautkrankheiten und Allergien haben ihn, und, wie er weiß, viele Mitleidende, „einfach umweltbewußter gemacht“.

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