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Von drauß' from Louisiana

■ Solche & solche „Women in (e)motion“: Die ersten Konzerte in der Schauburg

„Lillian Boudion Almond ist keine professionelle Musikerin.“ So steht es dankenswerterweise im Programmheft zu den „Women in (e)motion“-Konzerten. Dennoch war die 72jährige Cherokee-Dame aus Louisiana jedoch vollmundig zum Auftakt dieser mit hohen Erwartungen verknüpften Reihe angekündigt worden, und damit hatten die Veranstalter ihr, die derzeit zum ersten Mal überhaupt im Ausland ist, einen peinlichen Bärendienst erwiesen: Übermächtig nervös vergaß sie mehrfach den Text, wirkte völlig überfordert und stimmlich indisponiert. Kaum eine Ahnung kam davon auf, warum sie mit ihren worksong- ähnlichen, von Blues und Cajun beeinflußten Balladen in ihrer Heimat großes Ansehen genießt.

Lucille Grace, ihre Tochter, versuchte zwar die Verhältnisse zurechtzurücken, indem sie die Mama nur für einige Songs in der Mitte ihres eigenen Sets auf die Bühne holte und ihr bemüht über die Klippen des Vortrags half, doch die Irritationen blieben: Man hätte den Hut vorab nicht so hoch hängen dürfen.

„I'm so proud of her“, sagte nachher Tochter Lucille, und das darf sie schon sein, denn von der Mutter (und vom Vater) lernte sie, was sie heute kann. Das machte allemal Eindruck in der Schauburg. Weibliche Bandleader, die zur Stimme noch virtuos die solistische E-Gitarre beherrschen, kann man zumindest in der oberen Etage des Rock-Business mit der Lupe suchen. Lucille Grace bildet mit Keith Lambeth am Baß und dem Schlagzeuger Will Gator ein spielfreudiges Trio, das den Blues im Verlauf des Abends von den traditionellen Spielformen bis harten Rocksequenzen trieb. Komplex und intelligent das Spiel der Frontfrau, mit harschem Ausdruck und aggressiven Schüben. Lediglich die nicht sonderlich tragfähige Stimme minderte den guten Eindruck.

Umso großartiger trumpften am Samstag „Lillian Boutte & Her Music Friends“ auf, als sie die kleine Reminiszenz an Louisiana abschlossen. Die Lady aus New Orleans führte zu später Stunde ihr Publikum in einem mitreißenden Reigen durch die Vergangenheit von Blues und Rhythm & Blues. Mit mächtiger Stimme, die gegenüber den großen Vorbildern keinen Deut abfiel, gut aufgelegt und motiviert zeigte sie dabei die feinen Verbindungen zu Soul und Jazz auf und präsentierte den so reichen Musikpool ihrer Heimat.

Begleitet wurde sie von ihrem Ehemann Thomas L'Etienne (Sax) und dem Münchner Christian Williesohn (Piano), wie sich das gehört: Mit einfachen, klaren Linien, kraftvoll bis sentimental, doch nie manieristisch über die einfachen Grundzüge der Musik hinausgehend. Rocky Knauer (Kontrabaß) und Rick Holland (Schlagzeug) komplettierten das makellos aufspielende Quintett. „Mustang Sally“, Etta James' „I'd rather go blind“, Alberta Hunters „Downhearted Blues“ oder auch die Eigenkomposition „Music is my Life“: Eindrucksvoller ist diese Musik kaum denkbar. Der zweite Abend hielt mehr, als der erste versprochen hatte. Rainer Köster

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