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Petra in Cobis Fußstapfen

Am 3.September beginnen in Barcelona die Olympischen Spiele der Behinderten/ 4.000 Sportlerinnen und Sportler aus 94 Ländern werden bei den IX. Paralympics an den Start gehen  ■ Von Ralf Köpke

Berlin (taz) — Aufräumen ist derzeit angesagt im Parc de Mar, dem Olympiadorf in Barcelona. Das ist auch nötig, denn in knapp drei Wochen beherbergt die Neubausiedlung am Mittelmeer wiederum mehrere Tausend Athleten. Rund 4.000 Behindertensportler aus 94 Nationen werden dann in der katalanischen Hauptstadt zu den IX. Paralympics, der Behinderten-Olympiade, erwartet, darunter auch 237 Aktive des Deutschen Behinderten-Sportverbandes (DBS). Vom 3. bis 14.September brennt auf dem Montjuic noch einmal das olympische Feuer.

Barcelona ist für die Paralympioniken ein weiterer Schritt in Richtung Anerkennung und Gleichberechtigung mit den nicht behinderten Sportlern: Konnten die Behindertensportler vor vier Jahren in Seoul schon (fast) die gleichen Wettkampfstätten benutzen, so erfolgt nun die Unterbringung im gleichen Olympiadorf. Neu ist auch, daß die Paralympics erstmals von einem olympischen Organisationskomitee (in diesem Fall das COOB '92) mitgeplant werden. Die spanischen Olympia- Macher hoffen so die bei den Sommerspielen gesammelten Erfahrungen für die Paralympics nutzen zu können.

Die Behinderten-Olympiade, deren Schirmherrschaft die spanische Königin Sophia übernommen hat, kostet dieses Mal die Rekordsumme von rund 150 Millionen Mark — ein Klacks allerdings gegen die Kosten der „normalen“ olympischen Spiele (nach Berechnungen spanischer Behörden haben die Sommerspiele rund 20 Milliarden Mark gekostet). Unterstützung bei der Geldbeschaffung hat das COOB '92 von der einflußreichen spanischen Blindenorganisation ONCE erhalten: Deren Losbuden stehen in den meisten belebten Straßen Spaniens.

Gerade einmal bis Mitte September wird wohl Petra, das Maskottchen der Paralympics, zum Straßenbild gehören. Das Mädchen mit den zwei Zöpfen und ohne Arme ist ein ebenso eigenwilliger Entwurf wie Cobi, die katalanische Hundekreation. Xavier Rodriguez, Pressechef der Paralympics, hat denn auch so seine Schwierigkeiten, die Bedeutung des neuen Maskottchen klarzumachen: „Petra ist clever und extrovertiert. Sie denkt für sich selbst und hat viele Freunde. Sie ist ein bißchen eitel und sehr eigensinnig, aber voller Energie.“

Daß die Paralympics in Barcelona auf eine ähnlich große Resonanz treffen wie in Südkorea 1988, davon ist Gunther Belitz, oberschenkelamputierter Weitspringer aus Wilhelmshaven, überzeugt: „Im letzten Sommer kamen zu der Generalprobe der behinderten Leichtathleten weit mehr Zuschauer als tags zuvor bei den spanischen Leichtathletik-Meisterschaften.“ Den Besucherandrang könnten allerdings die relativ hohen Eintrittspreise bremsen: Bis zu 80DM kosten die Tickets für bestimmte Wettbewerbe.

Erstmals bei einer Behinderten- Olympiade sollen nach allen Entscheidungen Doping-Proben genommen werden, in Seoul reichte das Geld nur für 50 Untersuchungen. Die DBS-Athleten, darunter 29 Sportler aus den fünf neuen Bundesländern (die DDR hatte nie an den Paralympics teilgenommen), sind darauf gut vorbereitet. „Alle nominierten Aktiven mußten uns eine Aufstellung über all die Medikamente, die sie einnehmen müssen, geben“, sagt DBS-Sprecher Lothar vom Stein, „anschließend haben unsere Mannschaftsärzte diese Bögen mit der Dopingliste verglichen.“ So habe es bei 98 Prozent aller Athleten keine Schwierigkeiten gegeben. In den anderen Fällen sei man auf andere Präparate ausgewichen.

Um die Chancengleichheit zu erhöhen, aber auch um die Paralympics sportlich aufzuwerten, haben es die Organisatoren in Barcelona zum Teil geschafft, bei einigen Sportarten die für Außenstehende kaum überschaubaren unzähligen Schadensklassen zu reduzieren.

Dank dieser neuen Klassifikation (Schadenseinteilung) können nun Sportler aus den vier Behinderungsarten in einem Wettkampf gegeneinander antreten. So starten nun beim Diskuswurf der Frauen sowohl Rollstuhlsportlerinnen und sog. doppelseitige Beinschäden in einem Teilnehmerfeld. „Früher warfen bei uns auch Frauen mit einer einseitigen Unterarmamputation mit, was den ganzen Wettbewerb verzerrt hat“, beschreibt Vize-Weltmeisterin Bärbel Zielonka aus Gelsenkirchen die Vorteile. In dem neugeschaffenen Teilnehmerfeld sei ihr deshalb ein achter Platz mehr wert als eine Bronzemedaille in der früheren Schadensklasse: „Es kommt erstmals zu einem wirklich sportlichen Wettkampf.“

Mittlerweile haben sich mehr als 800 Journalisten und 35 Fernsehanstalten im paralympischen Pressezentrum akkreditiert, Zahlen, die auch das gewachsene Interesse am Behindertensport widerspiegeln. „Wir müssen die Bühne Barcelona nutzen“, sagt Weitspringer Gunther Berlitz, „um unseren Sport selbstbewußt zu präsentieren.“

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