Show statt Schau, und der Ball wird bunt

■ Leibesübungen im Vergleich am Samstag: „Sportschau“, ARD, 17.25Uhr und „Ran“, Sat.1, 18Uhr

Dieselbe kurze Sendepause, die die Spannung ins Unerträgliche zu steigern pflegt. Dieselbe atemberaubend-mozarteske Melodei, die Bohlens Dieter einst auf dem Weg zum Tennisplatz einfach so ins mutmaßliche Hirn schwirrte. Und dann: Adi Furler!?

„Guten Abend, meine Damen und Herren“ (???). Und dann: die Ergebnisse. Einfach so! Und dann: „Soviel zunächst einmal zum Thema Fußball und neue Bundesligasaison.“ Um 17.27Uhr, kaum zwei Minuten sind gespielt, soll auch schon wieder alles vorbei sein? Adi!?!?

Der Vollblütler aus dem Gestüt Schlenderhahn versucht abzulenken, brabbelt von „hervorragenden Vererbungen aus der Schwarzgold- Linie“, schaltet zum Galoppieren in Hoppegarten.

Noch eine Enttäuschung: Die Baronin Karin von Ullmann ist erkrankt und kann nicht kommen! Bruno Schütz, der derzeit erfolgreichste Trainer: „Wir konnten nicht feststellen, woran sie lahmt.“ Erst die Superzeitlupe kann Aufschluß geben. Jetzt aber: deutsche Tourenmeisterschaft, 9.Lauf. Rennen? Nicht ganz, immerhin Training.

Krixkrax. Adi: „Die Pannen gibt's nicht nur bei anderen, sondern auch bei uns.“ Dann aber weiter, „eine ganz heiße Olympiapackung“. Medaillenonkel und -tanten beim Kegelausflug. „Nicole Uphoff, haben Sie jemals auf der Kommandobrücke eines solchen Schiffes gestanden?“ Nicole: „Nein, ganz bestimmt nicht.“ Weiter: „Stephan Freigang, Sie kommen aus Cottbus. Was machen Sie beruflich?“ Und noch eins drauf: Olympiasiegerin Anke von Seck (???): „Wir verstehen uns in der Mannschaft ganz gut.“

Es singt Roberto Blanco. Hoffnung kommt auf. Gibt's wenigstens etwas Tennis? Fliegender Wechsel: Ben Wett fährt eine Rolltreppe in Atlanta hoch. Einer von 2.000 Taxifahrern dort sagt: „Ich bin einer von 2.000 Taxifahrern hier.“ Brandheiße Kiste, denn, Ben: „Es sind nur noch 1.436 Tage, bis die Spiele beginnen!“ Im zweiten Anlauf endlich (!!!) Tourenwagen.

Klaus Ludwig: „Guter Windschatten kann in Hockenheim eine Sekunde ausmachen!“ Aha. Keke Rosberg: „Fünf Zentimeter über dem Randstein muß sein, und sieben ist zuviel.“ Soso. Schließlich noch eine weitere Steigerung, der absolute Höhepunkt sozusagen: Brigitte Nielsen, „das Busenwunder“.

Adi (verschmitzt-wissend): „Mit dem richtigen Auto kann man auch die richtige Frau aufreißen.“ Oder so ähnlich. Dann der riesige Ärger. Im dritten Programm wäre zur selben Zeit „Das Jahr in Wald und Flur“ gelaufen! Heute: „Die Streuobstwiese.“ Mist! Verpaßt!

Adi: „..blabla darf Sie nochmal erinnern, 19 Uhr 15 im ersten Programm blabla.“ Wie? Schon sechse? Dann aber nichts wie umgeschaltet! Peter Unfried

Als sich Moderator Beckmann, rote Jeansjacke, Hände in der Hosentasche, endlich verabschiedet, traf uns die Erkenntnis wie ein Beilhieb: Diese Sendung können wir nicht boykottieren. Die wird uns treu bleiben, wir werden ihr ergeben sein, bis daß der nächste Superfußballfernsehdeal uns scheidet. Um es gleich zu sagen: Erleichterung und Abscheu hielten sich die Waage.

Wer Werner Hansch als Kommentator verpflichtet, kann nicht ganz schlecht sein. Und der Ball ist immer noch rund. Wir werden diese Sendung überleben. Aber wir werden uns anpassen müssen.

Was eben noch Schau war, ist nun reine Show. Bunt, schnell, nervös. Günnas Doof-Kolumne als Aperitif, Videoclips als fade Füllsel, alle Nase lang Reklame (Bier, Autos, Hochdruckreiniger). Männer sind robust. An denen perlt sowas einfach ab. Erst im Trommelfeuer wachen sie auf, unter Dauerbeschuß werden sie lebendig.

Sat.1 weiß das. Also noch eine Superzeitlupe mehr, hier ein Kurzinterview nach der Auswechslung, dort das Pausenstatement des tolpatschigen Stürmers. Technik tadellos. Extra-Kameras für die Trainerbank, Kontrollkameras für die Vierer- Kette der Bayern, zusätzliche Kameras fürs Randgeschehen (Balljungenknutschereien). An nichts soll's uns fehlen.

Christoph Daum wird mit dem Hubschrauber vom Stadion ins Studio geflogen, beteuert dort mit aufgerissenen Augen, daß Fußball ein „absolut sauberer Sport“ sei: Auch einen Flachwitz hatten sie sich ausgedacht: Udo Lattek sei „nicht aus Schmelzkäse geschnitzt“, haha. Helmut Schulte wurde auf Uwe Bein angesetzt, zählte 68 Ballkontakte, sieben Doppelpässe. Der amerikanische Statistikwahn sollte zuletzt völlig hemmungslos über uns hereinbrechen. Aber schon nach der Hälfte der Show vermißten wir etwas.

Nein, nicht Heribert. Ein undeutliches Verlangen nach zusammenhängenden Bildern keimte in uns. Die Sehnsucht nach Spielzügen! Das Spielfeld auch mal im Aufriß, als Erinnerung an unsere aktive Stehplatzzeit. Aber nichts da! Statt dessen noch drei Fouls, Schnitt zum Trainer, eine Schiedsrichtergeste, zwei Pässe und Torschuß. Und noch mehr Bier, noch mehr Autos, noch mehr Hochdruckreiniger.

Das Statistik-Finale brachte das neue Fußball-Feeling auf den Punkt: Bundesliga als aufregender Hühnerhaufen. Zahlen, Daten, Fakten, alle Tore nochmal eingespielt. Discomusik unterlegt, ein endloser Videoclip. Wie gesagt, wir werden auch dies überleben.

Aber es macht uns unfähig, ein Fußballspiel jemals wieder in voller Länge auszuhalten. Wer sich aber langweilt, beginnt zu randalieren. Und wenn nur auf der eigenen Couchfankurve. Sat.1 wird sich noch wundern. Olga O'Groschen