: Gutgekühlte Milchmädchenrechnung
■ Nie wieder saure Vollmilch: Trickst die Nordmark-Meierei mit dem Haltbarkeitsdatum?
Milch macht bekanntlich müde Männer munter, doch zu spät genossen kann sie einem leicht sauer aufstoßen. Damit das nicht so schnell passiert, soll die Meiereigenossenschaft Nordmark (MGN) nach Erkenntnissen der Hamburger Verbraucherzentrale die Mindesthaltbarkeitsdaten ihres Kuhsaftes „ungesetzlich verlängert“ haben. Wo bisher das Haltbarkeitsdatum bei einer Lagerung bei plus 10 Grad angegeben wurde, ziert seit einigen Wochen die Verpackungen der Meierei-Produkte „Alstermilch“, „Die Nordfrischen“ und „Gold- Landmilch“ der Aufdruck „bei 6o C mindestens haltbar bis ... “.
Für die Verbraucherschützer ein billiger, wenn auch wirkungsvoller Trick im Kampf um Milch-Marktanteile. Da die Vollmilch bei kühlerer Lagerung später verdirbt, haben die Hansa-Produkte beim Verbraucher bessere Chancen. Nach Stichproben der Verbraucherzentrale aber sind die meisten Supermarkt-Kühltheken auf über 9 Grad temperiert, der heimische Kühlschrank ebenfalls. Außerdem, so hat die Verbraucherzentrale herausgefunden, verstößt die neue Kennzeichnung gegen geltendes Lebensmittelrecht. In einem Regelwerk, das den Zungenbrecher-Titel „Konsummilchkennzeichnungsverordnung“ trägt, steht schwarz auf weiß, daß bei pasteurisierter Milch angegeben werden muß, wie lange sie bei 10 Grad genießbar ist. Die Verbraucherschützer haben bereits die Hamburger Wirtschaftsbehörde von der Grad-Wanderung der Milchmänner in kühlere Zonen informiert, deren Rechtsabteilung nun den Sachverhalt prüfen muß.
Ernst Mackenbrock, Vorstandsvorsitzender der MGM allerdings dementiert jede Spekulation, seine Meierei wollte sich auf kaltem Wege Wettbewerbsvorteile verschaffen. Auch wenn der Verpackungsaufdruck anderes signalisiert: „Wir messen weiterhin, wie lange unsere Milch bei zehn Grad haltbar ist und drucken dieses Datum aufs Etikett.“ Verändert sei die angegebene Gradzahl nur worden, weil die schleswig-holsteinische Hygieneverordnung wie auch ein geplantes EG-Regelwerk die Sechs-Grad- Grenze zum Maßstab aller Dinge erhebt.
Im Klartext: Haltbarkeitsdatum und angegebene Temperatur haben nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun. Verbraucherverwirrung? „Wir wollen dem Milch-Kon-
1sumenten signalisieren, daß die Milch sich gut gekühlt länger hält“, begründet Mackenbrock die Änderung der Temperaturangabe. Kühl kalkuliert aber, das hat der Vor-
1stands-Primus inzwischen erkennen müssen, war die Verbraucher- Nachhilfe nicht. Deshalb verfällt der Aufdruck mit der Haltbarkeit der gerade produzierten Milchver-
1packungen. „Die nächste Auflage trägt wieder den alten Aufdruck“, kündigt Mackenbrock an. Das Ende einer Milchmädchenrechnung. Marco Carini
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