: Das Blutopfer des Umlands
■ Sommerloch beim Blutspenden / Bremen aber lebt von den Aderlässen umzu
Delikat! Ganz früher, da gab es ein Glas roten Rotwein für alle, die einen halben Liter Blut geopfert hatten mit abgebundenem Arm und reinem Herzen. Rotwein: Was für ein Sinn beweist sich da für die tiefe Symbolik des Blutopfers!
Das mit dem Rotwein nach dem Blutspenden ist aber lange her. So lange, daß sogar Ursula Lassen, seit 20 Jahren beim Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) tätig, sowas nur noch vom Hörensagen kennt. Frau Lassen ist inzwischen Bluspende- Hauptabteilungsleiterin in Springe für Bremen-Niedersachsen und muß es irgendwie hinkriegen, daß sich täglich 2.000 Menschen zur Ader lassen, allein in dieser Region, täglich!
Schlecht, sehr schlecht sah es damit aus in den letzten Wochen. Erstens war Ferienzeit. Zweitens das warme Wetter seit Mai. Da haben die Menschen anderes zu tun, vielleicht fühlen sie sich auch nicht so nach Aderlaß. Jedenfalls: Bis zu 20 Prozent Einbußen gab es, und erst seit der letzten kühleren Woche füllen sich die Bestände wieder auf. „Wir haben sozusagen von der Hand in den Mund gelebt“, sagt Frau Lassen, denn gewaltige Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen, das geht gar nicht: Nur 5 Wochen lang sind die Konserven mit den roten Blutkörperchen haltbar, bloß 5 Tage die mit den Blutplättchen.
Der typische Spender ist eher männlich (60 Prozent) und kommt aus kleinstädtisch-ländlichen Regionen. Akademiker sind ein bißchen unterrepräsentiert, bei den jungen Leuten spenden jetzt verstärkt auch Frauen. Die Städte hängen am Blut-Tropf der Landbevölkerung: Gerade mal 7.000 Konserven ließen sich die Bremerinnen 1991 aus den Armen abzapfen, umgekehrt lieferte das DRK 20.000 Stück nach Bremen, und zwar aus Niedersachsen. „Selbstversorgung ist unsere Maxime“, sagt Frau Lassen, und das heißt, daß die Länder und Regionen ihren Bedarf aus eigenen Spenden decken. Geld gegen Blut gibts nur bei Pharma-Firmen, die sich in den USA zum Beispiel nahe Mexiko niederlassen und damit provozieren, daß Mexikaner über den Rio Grande schwimmen und ihr Blut verkaufen.
Eine „Aufwandsentschädigung“ von rund 50 Mark bezahlen die staatlich-kommunalen Transfusions-Dienste, z. B. in der St.Jürgen-Straße, und wenige kommerzielle Unternehmen, die an die Pharma-Industrie weiterverkaufen. Mit 80 Prozent Bedarfsdeckung ist das DRK aber klarer Marktführer.
Ob Sie einmal spenden oder 76mal: Immer wieder neu gibt es einen ausführlichen Fragebogen auszufüllen von Angina bis Zirrhose, immer werden Blut-Eisengehalt, Puls und Temperatur gemessen. „Sieben Prozent aller Spendenwilligen dürfen gar nicht, aus medizinischen Gründen“, sagt Frau Lassen, „also, wir schnappen nicht jeden auf Teufel komm raus und lassen ihn zur Ader!“
Die Spender bekommen also beim DRK keinen Pfennig; für eine Konserve roter Blutkörperchen bezahlt das Krankenhaus dann aber später 72,50 Mark, für eine mit Thrombozyten 85 Mark. Das dicke Geschäft? „Wir dürfen nur zu kostendeckenden Preisen verkaufen und sind gemeinnützig“, wehrt Frau Lassen ab. Die Kosten: Für sage und schreibe 550 Hauptamtliche nur für den Blutspendedienst Bremen-Niedersachsen, für einige Labors und die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Durch eine Erfindung eben dort werden alle Plasma-Konserven in Niedersachsen- Bremen seit Februar bei 60 Grad virus-inaktiviert. Leider geht das mit den roten Blutkörperchen nicht, die bei Hitze unbrauchbar werden.
Jede einzelne Spende wird zwar auf HIV und Hepatitis-Antikörper getestet, aber der Zeitraum zwischen Infektion und Antikörper-Bildung bleibt als „gewisses Sicherheits-Risiko“. Viermal in 500.000 Spenden wurde 1991 eine solche Infektion gefunden.
Wer spendet, kriegt einen Spenderpaß, einen ehrenamtlich zubereiteten Imbiß und eine Ehren-Nadel für Wiederholungstäter. Der rote Rotwein ist längst abgeschafft, gegen Ersatz: blauer Traubensaft. S.P.
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