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Von allen guten Hasen verlassen

■ Der Kenianer Moses Kiptanui rächt sich für seine olympische Nichtnominierung in Köln mit einem Weltrekord über 3.000 Meter/ Frischgekürte Olympiasieger unterlagen reihenweise

Köln (dpa/taz) — Warum ihn seine kenianischen Landsleute bei Olympia nicht dabeihaben wollten, bleibt ein Rätsel. Sicherlich, Moses Kiptanui war wegen Kniebeschwerden bei der Olympia-Ausscheidung gescheitert — wie viele andere potentielle Medaillenanwärter Kenias. Doch im Gegensatz zu denen habe er, der 3.000-Meter-Hindernis-Weltmeister von Tokio, nachträglich keine Chance erhalten, klagte Kiptanui und prangerte an, daß sein Verband mit zwei Ellen gemessen habe. Seoul-Olympiasieger Paul Ereng (800 Meter) beispielsweise hatte das Spanien-Ticket trotz verpaßter Qualifikation doch erhalten. Während Ereng bereits im Zwischenlauf rausflog, mußte Kiptanui untätig zusehen, wie seine Landsleute Mathew Birir, Patrick Sang und William Mutwol in Barcelona die drei Medaillen unter sich ausliefen.

Beim Grand-Prix-Sportfest in Köln konnte sich der abgeschriebene Mann vom Stamme der Nandi endlich die Wut aus dem Bauch rennen. „Mich hat keiner gefragt, wie schnell die Hasen anlaufen sollen“, ärgerte sich Kitanui ob der Zurücksetzung in Köln. Denn das Tempo der Tempomacher bestimmten seine Landsleute Paul Bitok und Yobes Ondieki sowie Dieter Baumann. Baumann, der 5.000-Meter-Olympiasieger, hatte sich gar hinreißen lassen, vollmundig einen Weltrekord anzukündigen. Womit er nicht ganz unrecht hatte: Der drei Jahre alte Weltrekord des Marokkaners Said Aouita (7:49,45 Minuten) fiel — allerdings durch Moses Kitanui. Was Baumann sichtlich wurmte. Auf Platz vier gelandet, konnte ihn nicht einmal die neue deutsche Jahresbestzeit von 7:38,10 Minuten trösten. Entnervt ließ der 27jährige Schwabe, der sich in Barcelona noch im Presserummel aalte, die Pressekonferenz sausen und nur verlautbaren: „Die Zeit ist gut, oder?“

Auf jeden Fall war sie nicht gut genug, um Kiptanui aufhalten zu können. Der kenianische Soldat sah sich nach 2.000 Metern plötzlich von allen „Hasen“ verlassen allein an der Spitze und zog durch. Zwar lag die Zwischenzeit zu diesem Zeitpunkt deutlich hinter der Said Aouitas zurück, doch Kiptanui legte, angetrieben von 38.000 begeisterten Zuschauern, zwei sensationelle Schlußrunden hin und siegte in 7:28,96 Minuten: „Erst dachte ich, ich sei nicht stark genug für den Rekord, doch dann ging es doch.“ Derart im Siegelstaumel ließ sich der Weltrekordler gar zu Baumannschen Sprüchen hinreißen: „Ich plane, am Mittwoch in Zürich Weltrekord über 3.000 Meter Hindernis zu laufen“, verkündete der 20jährige.

Auch Colin Jackson suchte in Köln Genugtuung für Barcelona. Dort war der britische 110-Meter- Hürdensprinter in schwachen 13:46 Sekunden überraschend nur Siebter geworden. Ein bitterer Ausrutscher, über den er einfach nicht hinwegkommt. Selbst nachdem er in Köln in 13,04 Sekunden seinen eigenen Europarekord vom 10.Juni verbesserte, war er untröstlich. „Das war keine Genugtuung. Nur ein Sieg 1996 bei Olympia in Atlanta kann mich für den verpaßten Sieg in Barcelona entschädigen.“

Ähnlich wie Jackson erging es auch anderen Kölner Siegern. Die bulgarische Weltrekordlerin im Hochsprung, Stefka Kostadinowa, besiegte Olympiasiegerin Heike Henkel. Beide sprangen zwei Meter hoch, doch die Bulgarin benötigte weniger Versuche. Speerwurf- Olympiasiegerin Silke Renk ließ in Köln der Gussin Natalia Schikolenko (68,10 Meter) den Vortritt. Schikolenko: „Ein Sieg über die Olympia- Erste ist ein Doppelsieg.“ Auch der 100-Meter-Olympiasieger Linford Christie verlor, von den post-olympischen Feierlichkeiten noch mächtig mitgenommen: „Ich hatte Probleme mit dem Gleichgewicht“, sagte Christie, der nach 10,15 Sekunden dem Nigerianer Olasade Adeniken (10:13) unterlag. Heike Drechsel hingegen hatte sich schon wieder völlig unter Kontrolle: Die Olympiasiegerin aus Jena gewann den Weitsprung mit 7,06 Meter vor Inessa Krawetz (GUS/7,05) und ihrer Dauerrivalin Jackie Joyner-Kersee (USA/6,94). miß

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