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Die Baubranche als Karriereblocker

■ Die spektakulärsten Pleiten von Berliner SPD-Landesvorsitzenden oder Regierungschefs fanden im Sumpf der hochsubventionierten Bauindustrie statt

„Rücktritt?“ — „Da muß man mich schon aus dem Amt tragen.“ Wen dieser Spruch an Walter Momper erinnert, wird zwar spontan Zustimmung ernten, liegt aber gleichwohl falsch. Klaus Schütz, Regierender Bürgermeister und Landesvorsitzender der SPD bis 1977, hatte bereits 48 Stunden nach dem forschen TV-Statement viel freie Zeit. Der Rücktritt seines Innensenators Kurt Neubauer gab ihm innerhalb von zwei Tagen den Rest. Nicht ganz unbeteiligt an dieser Entwicklung war eine Dame, die lange als Star der Architektenzunft Berlins galt: Sigrid Kressmann-Zschach, Mutter der Subventionsruine „Steglitzer Kreisel“, der es immerhin gelang, dem Senat von Klaus Schütz für einen Bau, den dann keiner haben wollte, 40 Millionen Mark aus den Rippen zu leiern. Als Schütz dann noch mit Unregelmäßigkeiten in der Königlichen Porzellan-Manufaktur „KPM“ konfrontiert wurde und sich herausstellte, daß sein Innensenator „vergessen“ hatte, 56.000 Mark Aufsichtsratstantiemen an die Landeskasse abzudrücken, war das Maß voll.

Dieses Schicksal von Schütz, der als früherer enger Mitarbeiter von Willy Brandt scheinbar glänzende Aussichten hatte, geriet für die Stars der Sozialdemokratie in Berlin allerdings mehr oder weniger zum Normalfall. Nach Brandt gelang es keinem SPD-Landesvorsitzenden mehr, über den Job des Regierenden Bürgermeisters hinaus politische Lorbeeren zu ernten. Fast alle wurden sie im sprichwörtlichen Berliner Filz verschlissen. Außer Heinrich Albertz verschwanden alle schnell wieder in der Versenkung. Wer redet heute noch von Dietrich Stobbe, dem Mann, der zeitweilig sogar die Regierung Schmidt retten sollte. Wer gar von Jürgen Egert oder Peter Ulrich, allesamt glücklose Berliner Parteivorsitzende oder Regierende Bürgermeister. Und selbst von Hans-Joachim Vogel kann man im besten Falle sagen, daß ihm seine kurze Phase als Berliner Regierender nicht weiter geschadet hat — förderlich für die Karriere war seine Wahlniederlage gegen Richard von Weizsäcker kaum. Wie schon Schütz und Stobbe, hatte auch Vogel große Probleme mit dem Berliner Immobilienmarkt. Zwar ging es bei ihm nicht um Spekulation, dafür hatte er die Früchte des Zorns zu tragen und sah sich mit einer Hausbesetzerbewegung konfrontiert, die es in der Üppigkeit weder vorher noch nachher je wieder gegeben hatte. Doch obwohl Vogel sich redlich mühte, durch Kompromißlinien ausschweifende Straßenschlachten zu verhindern, brachte sein adliger Gegenkandidat mühelos die Berliner Kleinbürger hinter sich und Vogel per Volksabstimmung zu Fall. Danach übernahm „Richie“ ganz gelassen die von Vogel definierte „Berliner Linie“ und ließ weiterverhandeln. Heute ist Kreuzberg in weiten Teilen saniert, nicht zuletzt dank der Hausbesetzer, die in den folgenden Jahren viel Zeit als Haussanierer verbrachten. Doch Vogel konnte sich den Ausflug in die Berliner Baubranche leisten, er war ja bereits der Star des Kabinetts Schmidt, als er nach Berlin kam.

Anders dagegen sein Vorgänger Stobbe. Der wollte über das problematische Sprungbrett Berliner Landesvorsitz und Regierender Bürgermeister wirklich etwas werden. Mit nur 39 Jahren als Nachfolger für den zermürbten Schütz ins Amt gewählt, schien ihm eine glänzende Zukunft gewiß. Nach einem Jahr Amtszeit schwebte er auf dem Höhepunkt seiner Popularität und träumte bereits davon, für die SPD wieder Mehrheiten wie weiland „Willy, Willy“ einzufahren. Bis auch ihn die Baubranche einholte. Sein Menetekel aus dem Sumpf hieß Dietrich Garski, FDP-Mitglied und einziger Aktionär der Bautechnik AG. Obwohl Garski gar nicht in Berlin, sondern im saudischen Wüstensand baute, gewährte ihm der Berliner Senat unter der Verantwortung Stobbes eine Bankbürgschaft nach der anderen. Wie in dieser Branche so üblich, kommt da leicht eine Million zur anderen. Zuletzt mußte Berlin für 115 Mio. Mark Schulden einstehen — ein Vorgang, den Wirtschaftssenator Lüder (FDP) anfänglich noch ganz normal fand. Schließlich, so Lüder, habe man doch auch etliche Firmen durch Bürgschaften vor dem Konkurs gerettet. „Laufend“, so Lüder, „retten wir Unternehmen binnen Stunden. Die rennen mit der Bürgschaftsurkunde zur Baugrube. Freitag nachmittag ist Hauptkampftag.“ Bei soviel Engagement für die Stadt kann einem schon einmal ein Garski unterkommen.

Da kann es nicht Wunder nehmen, daß angesichts dieser Vorgeschichte Walter Momper die bis dato zumindestens formal vorhandene Trennung zwischen Parteivorsitz und Baulobbyist in seiner Person gleich ganz aufheben wollte. Das spart schließlich überflüssige Termine. Und Walter war ja schon immer für seine Effizienz bekannt. Jürgen Gottschlich

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