: „Wir spielen dieses Spiel mit“
■ Was homosexuellen Paaren widerfuhr, als sie ihr Aufgebot bestellen wollten
Selbst für das Standesamt. wo sich bekanntlich alltäglich die Höhepunkt menschlicher Karrieren abspielen, war es ein außergewöhnlicher Tag. Fünf homosexuelle Paare wollten gestern ihr Aufgebot für eine Hochzeit bestellen,
„Ich will endlich, daß die Gesellschaft uns anerkennt, und zwar nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich“, begründet Angelika (35) ihren Entschluß, ihre Freundin heiraten zu wollen. „Wir wollen endlich das Recht auf Adoption, wollen die Steuervorteile nutzen, Erbschaften regeln.“ Sie verlangt die Reform rechtlicher Grundlagen für alle Formen des Zusammenlebens: „Derzeit werden immer die Paare privilegiert.“
Matthias (30) hat emotionale Gründe für seine Hochzeit: „Ich liebe meinen Freund seit fünf Jahren, und wenn ich gekonnt hätte, hätte ich ihn schon früher geheiratet.“ Schon als Kind habe er gewußt, „daß ich mit Gordon alt werden möchte.“ Rainer (32) hätte seine zehnjährige Freundschaft zu Gerhard gerne „öffentlich manifestiert“, sein Freund Gerhard (57) bekennt: „Die Angst, in dieser Weise in die Öffentlichkeit zu treten, habe ich erst morgen“ .
Natürlich wissen alle zehn, die sich auf dem Standesamt versammelt haben, daß ihr Antrag für ein Aufgebot abgelehnt wird. Die Aktion ist Teil einer bundesweit ausgerufenen Kampagne für die Anerkennung homosexueller Ehen. Initiiert wurde die Aktion vom Schwulenverband Deutschland (SVD). Sie soll zur Akzeptanz homosexueller Paare in der BRD und ihrer rechtlichen Gleichstellung beitragen.
Aber was sich dann vor dem Zimmer des Standesamtsleiters Dieter Katt abspielt, hatten alle so nicht erwartet: Nachdem das erste Paar unter Ausschluß der Öffentlichkeit von Katt empfangen wurde (an einem solchen Tag ist alles Chefsache), werden die nächsten vier Paare im Vorzimmer per Massenabfertigung bedient.
„Wir sind ein klein wenig auf Sie vorbereitet“, verrät Katt, verteilt Anmeldebögen zur Bestellung eines Aufgebotes, „Name und Anschrift reicht, die Absagen sind schon fertig.“ Überhaupt ist Katt sehr zuvorkommend. „Wir spielen dieses Spiel mit“, erklärt er, „auch wenn sie meinen, soviel Wind darum machen zu müssen.“ Schließlich sei die Bearbeitung der Anträge doch „unnütze Arbeit“.
Die Stimmung ist verkrampft im Standesamt. „Es wäre schön gewesen, wenn Sie offener mit dieser Aktion umgegangen wären“, sagt Bernd Thiede vom Rat&Tat-Zentrum. Er ist als Berater der Homosexuellen mit auf das Amt gekommen. „Ich will Ihr Problem jetzt hier nicht diskutieren“, sagt Katt. „Sie warten doch nur darauf, das ich was Falsches sage.“
Wenn auch das feierliche „Hiermit erkläre ich Euch zu Mann und Mann“ oder „Frau und Frau“ vorerst noch ausbleiben wird: Für die fünf Paare gab es gestern am Schluß der Aktion Sekt und Konfetti vor der Tür des Standesamtes, „und natürlich wird noch gefeiert“, sagt Oliver. Markus Daschner
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