: „Man müßte mal was los machen“
Tod eines Angolaners/ Elfter Prozeßtag in Eberswalde: Spontantat unter Alkohol oder Totschlag? ■ Aus Eberswalde Bascha Mika
Jugendliche toben durch die ostdeutsche Kleinstadt Eberswalde. Sie saufen, grölen, schlagen auf Autos ein, und dann einen Schwarzen tot. Spontantat unter Alkoholeinfluß? Im Prozeß vor dem Berzirksgericht Frankfurt/Oder, bei dem sich fünf junge Männer für den Tod von Amadeu Antonio verantworten müssen, erhärtet sich ein Verdacht: Die rund 50 Skins und Heavy Metals, die im November 1990 losgezogen waren, um „Neger aufzuklatschen“, sind gezielt darauf vorbereitet worden.
Mit vor der Brust verschränkten Armen und starrem Gesicht saß der Zeuge Oliver D. gestern im Eberswalder Gerichtssaal. Schwieg. Minutenlang. „Kommen Sie, kommen Sie“, fuhr Richter Kamp ihn an. So, als müßte er jedes Wort neu erfinden, begann der 21jährige Schlosser zu erzählen. Alle Skins und Heavys in der Disko „Rockbahnhof“ hätten an jenem Abend gewußt, daß man zum „Hüttengasthof“ gehen wollte, um Schwarze zu prügeln. Und als der Staatsanwalt ihm Beugehaft androhte, erinnert sich der Zeuge auch noch, wer die Parole ausgegeben hatte: der stadtbekannte Neonazi Tristan Dewitz und sein Kumpel Andreas B., sogar „mit ein bißchen mehr Nachdruck“.
Das Motiv und der Vorsatz spielen in diesem Prozeß eine entscheidende Rolle. Bisher lautet die Anklage auf schwere Körperverletzung mit Todesfolge. Sollte sich nachweisen lassen, daß der Überfall geplant war, könnte der Vorwurf auf Totschlag erweitert werden.
Nach taz-Recherchen soll Tristan Dewitz nach der Wende von westdeutschen Neonazis geschult worden sein. Anschließend avancierte er zum „Führer“ der rechtsradikalen Szene in Eberswalde. Auch er war in jener Randalenacht dabei — nach eigenen Aussagen aber völlig schuldlos am Tod Antonios. Andere Zeugen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie berichteten, daß er bereits lange vor jener Nacht angekündigt hatte, „man müßte mal zum Hüttengasthof und was los machen“. Am Nachmittag bevor Amadeu Antonio totgeprügelt und zwei andere Schwarze verletzt worden waren, empfing Dewitz seinen Kumpel Andreas B. und die Skin-Brüder Sven und Kay-Nando B. aus Gartz. Von denen sitzt der eine auf der Anklagebank, der andere ist geflüchtet. Die Brüder B. waren nicht nur die Köpfe der Gartzer Skins, sondern unterhielten auch Beziehungen zur militanten „Nationalistischen Front“ in Schwedt.
Nach bisherigen Aussagen scheint es, als sei in Dewitz' Wohnung der Plan geschmiedet worden, noch in derselben Nacht „die Neger aufzuklatschen“. Die „jugendliche Spontantat unter Alkoholeinfluß“ wäre dann der erfolgreiche Einfluß organisierter Neonazis auf die Skins und Heavys von Eberswalde.
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