: Serben zeigen Verhandlungsbereitschaft
■ Serbenführer Karadzic schließt Abkommen über UNO-Kontrolle der schweren Waffen — doch von der Friedenskonferenz in London erwartet er wenig: Die Schuldzuweisung der EG sei zu einseitig
London/Sarajevo (AFP/dpa/taz) — Nach der „Reisediplomatie“ des jugoslawischen Ministerpräsidenten Milan Panic bemüht sich nun auch der bosnische Serbenführer Radovan Karadzic, die Verhandlungsbereitschaft der Serben deutlich zu machen. Nach Berichten der Belgrader Nachrichtenagentur hat er bereits am Dienstag mit einem Vertreter der UNO-Blauhelme in Jugoslawien ein Abkommen über die Kontrolle der schweren Waffen der serbischen Truppen geschlossen. Er hat in einem BBC-Interview festgestellt, daß diese bei einem Schutz der Hilfskonvois nicht auf „Briten oder Amerikaner“ feuern würden.
Das Hauptquartier der Friedenstruppen in Zagreb war dagegen über den Abschluß eines „Waffenkontrollabkommens“ nicht informiert. Die UNO hätte jedoch schon vor einigen Wochen eine ähnliche Übereinkunft getroffen, um die Öffnung des Flughafens Sarajevo für Flüge mit Hilfsgütern überhaupt zu ermöglichen. Und bereits damals wären weder von den Kroaten noch von den Serben alle Geschütze und Artillerie- Stellungen angegeben worden.
Sollte die Vereinbarung tatsächlich existieren und auch umgesetzt werden, würden die UNO-Soldaten die Schützen nicht nur identifizieren, sondern auch für die Einstellung des Feuers sorgen können. Ein bosnischer Militärführer optimistisch: „Dann wird es keine Beschießung Sarajevos mehr geben.“ Wenig Hoffnung verbindet der Serbenführer mit der für Ende August geplanten internationalen Jugoslawien- Konferenz in London. In einem Brief an die britische Tageszeitung Times forderte Karadzic die EG auf, ihre einseitige Schuldzuweisungen an Serbien zu überdenken. Er wäre bereit, das von serbischen Truppen aus strategischen Gründen besetzte Land nach dem Konflikt zurückzugeben. Ebenso könnten alle Flüchtlinge zurückkehren. Gleichzeitig beschuldigte Karadzic den bosnischen Präsidenten Izetbegovic, Verhandlungen zu boykottieren, weil er noch auf eine Militärintervention des Westens hoffe.
London will Soldaten nach Bosnien schicken
Am Dienstag hat sich nach Kanada, Frankreich und der Türkei auch England bereit erklärt, ein Heeresbataillon für die Überwachung der UNO- Hilfskonvois in Bosnien zu entsenden. Allerdings, so Premier Major nach einer fünfeinhalbstündigen Kabinettssitzung, sollten die 1.800 Soldaten auf keinen Fall in Kämpfe verwickelt werden. Vordringlich sei es, die Hilfsmaßnahmen voranzutreiben, um zu verhindern, daß im kommenden Winter hunderttausende Flüchtlinge vom Kälte- und Hungertod bedroht seien.
Vor einem „Massensterben“ im kommenden Winter warnte auch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR). So gebe es in den Kriegsgebieten Zehntausende Obdachlose, deren Unterkünfte durch die Kämpfe zerstört wurden. Selbst in fruchtbaren Gebieten konnte die Ernte nicht eingebracht werden. Wegen Strommangels konnten außerdem viele Familien ihre Gefrierschränke als Vorsorge für den Winter nicht füllen. Außerdem beklagte das UNHCR den Mangel an Mitarbeitern, der seine Arbeit in Bosnien behindere. Sprecherin Sylvana Foa sagte, sie habe sich bereits an verschiedene Staaten und Hilfsorganisationen mit der Bitte um Unterstützung gewandt. „Wir brauchen Leute mit sehr starken Nerven, die nicht gleich durchdrehen, wenn ihnen jemand mit dem Gewehr vor der Nase herumfuchtelt.“
„Cap Anamur“ liegt in Lissabon fest
Der vom Deutschen Notärztekomitee „Cap Anamur“ gecharterte dänische Küstenfrachter „Svendborg Globe 13“ mit Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina an Bord ist auf dem Weg von Split nach Bremerhaven auf Weisung der dänischen Seeberufsgenossenschaft vor Lissabon gestoppt worden. „Es ist für uns nicht akzeptabel, daß dieses kleine Schiff mit 335 Menschen über den Atlanik fährt, obwohl es nur für zwölf Menschen neben der Besatzung zugelassen ist“, erklärte der Vize-Chef der Berufsgenossenschaft am Mittwoch in Kopenhagen. Und auch der Chef der dänischen Seeleutegewerkschaft meinte: „Der Transport über den Atlantik ist ein Hasardspiel mit dem Leben der Flüchtlinge.“ Komiteevorsitzender Rupert Neudeck sprach dagegen von einem „humanitären Skandal.“ Die deutsche und die dänische Regierung bat er um sofortige Intervention, „damit auf dem Rükken kriegsgequälter Menschen nicht irgendein bürokratisches Exempel statuiert wird“. Natürlich, so Neudeck weiter, sei das Schiff kein Luxusdampfer, doch es sei mit allem ausgestattet, was für einen Personentransport aus gefährdeter Zone notwendig ist.
In Belgrad traf am Mittwoch ein Flüchtlingskonvoi mit 323 Frauen und Kindern aus dem belagerten Sarajevo ein. Weitere 700 Flüchtlinge, die ebenfalls Sarajevo am Dienstag morgen unter UNO-Schutz verlassen hatten, fanden Unterkunft in anderen serbischen Orten.
Vor der Vertretung der Vereinten Nationen in Bonn wies die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) erneut auf das Versagen der internationalen Organisationen im Bosnienkrieg hin. Bei einer als “Konfrontation“ geplanten Demonstration forderten hundert vertriebene bosnische Mütter und Kinder ein militärisches Eingreifen der UNO-Truppen, kritisierte GbfV-Vorsitzender Tilman Zülich das wochenlange „Verschweigen“ der Konzentrationslager. Es sei ein „gefährliches Ablenkungsmanöver“, nicht nur Serben, sondern auch Kroaten und Moslems wegen Menschenrechtsverletzungen anzuklagen. her
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