piwik no script img

An der Friteuse

■ »Die drei Drachen vom Grill«: Frittiertes live und auf Zelluloid im Checkpoint

Sie sind unvergleichlich: Margarethe, Marga und Margot Färber, auch genannt »Die drei Drachen vom Grill«. Ähnlichkeiten mit einer real existierenden Vorabendfernsehserie sind rein zufällig und sicherlich nicht beabsichtigt. Nachdem die drei in Folge 752 ins Reich der Untoten eingezogen sind und der ruhmreiche Imbiß inzwischen zum Maniküre-Take-Away mutierte, lag es nahe, die drei Folgen der beliebten Familienserie der Teufelsberg Filmproduktion zusammenzufassen und mitsamt einem die komplizierten Familienstrukturen der Färbers erklärenden Prolog erneut in die Kinos zu schicken.

Noch einmal können wir mit ihnen zittern, wenn Oma Margarethe sich heldenmutig randalierenden Autonomen am Kottbusser Damm entgegenstellt, um den Grill zu schützen. Der Molotow-Cocktail landet trotz ihres selbstlosen Einsatzes in der Friteuse und führt zur Explosion der Bratstation. Oder die Folge, in der die Oma ihren 75.Geburtstag feiert und trotz stolzem Rentenalter und penetranten Halluzinationen immer noch hinter der Theke steht. Ein Leben für und um die Friteuse und ihre fettigen Produkte: Bulleten, Bratwürste, Currywürste...

Noch einmal können wir die grandiose Ausstattung bewundern: die original 70er-Jahre-Schrankwand, die kotzgemusterten Tapeten, die Frisuren und Perücken, die allein einen Oscar wert gewesen wären. Noch einmal hören wir die schon klassischen Zeilen: »Laß ma jut sein«, »Man steckt ja nich drin«, »Das hat mit noch jefehlt« oder »Ich war für kleene Medchen«. Oder auch diese reine, unverfälschte Poesie, wenn sich unsere drei unbeugsamen Heldinnen ein joviales »Prösterchen« zuschicken. Wie es sich für eine zünftige Seifenoper gehört, muß natürlich auch die Zeitgeschichte einfühlsam eingewebt sein. Es kommen vor: Manta-Witze, der Mauerfall (»Allet voller Ostler«) und der Polen-Schwarzmarkt (»Armes Deutschland«), und Edeltraut betätigt sich als Mauerspecht.

Mit sicherer Hand und Gespür für die Nöte des Alltags hat Ades Zabel inszeniert. Aber nicht nur das, auch hinter der Kamera tummelte sich das Multitalent und mimte zudem mit schierer Präsenz die geschäftstüchtige und doch immer wieder vom Leben geschüttelte Magda. Auch die anderen Schauspieler und Schauspielerinnen glänzen mit Darstellungen von ungeheurer Wucht und Intensität. Die Kameraführung ist wackelnd versiert, und die Special Effects sind wahrlich nichts für schwache Nerven. Brigitte Mira hatte für einen kurzen Gastauftritt bereits zugesagt, als die Protagonistinnen so abrupt aus dem Drehbuch schieden.

Zur Feier des Abgangs aus dem Reich der Fettspritzer, Ketchupflecken und Kalorienbomben zeigt der Checkpoint noch einmal das volle Teufelsberg-Programm, und die Besetzung wird einen der — bei diversen schwulen Ereignissen immer wieder gerne bewunderten — Live- Auftritte hinlegen. Ob ein Fernsehquiz vorgesehen ist oder Uschi wieder an die Wand Zielscheißen muß, ist noch nicht klar. Aber eines ist sicher: Das Programm heißt »Die Wurst ist heiß«, und der Verdauungsschnaps sollte nicht vergessen werden. Thomas Winkler

Heute und morgen, am 4. und 5.9. um 22Uhr im Checkpoint Baby, Leipziger Straße 55 in Mitte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen