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Ein Geschichts-Fernsehen, das in die Fernsehgeschichte einging

■ Die US-Dokumentation „Civil War“ ist endlich auch bei uns im Programm

Das erste Bild sieht aus, als müßte man sich auf eine herzzerreißende Neuauflage von „Vom Winde verweht“ gefaßt machen. Eine altertümliche Kanone vor einem bombastischen Sonnenuntergang — man wartet förmlich darauf, daß gleich Vivian Leigh und Clark Gable die Szenerie betreten. Doch was sich dann über elf Stunden auf dem Bildschirm entfaltet, hat mit jenem Hollywood- Klassiker allenfalls gemein, daß es um jenen Amerikanischen Bürgerkrieg geht, der seinerzeit als Kulisse für jene Love-Story herhalten mußte. „The Civil War“ heißt die neunteilige Dokumentation des Amerikaners Ken Burns, die so ziemlich alle Rekorde brach.

Fünf Jahre lang wühlte der renommierte Dokumentar-Filmer in 162 Museen und Archiven und sichtete so ziemlich alles, was über diesen blutigsten aller inneramerikanischen Kriege verfügbar ist. Er stieß auf Schlachtpläne, Tagebücher, Briefe, zeitgenössische Gemälde, Reden und Zeitungen und vor allem rund 50.000 (!) Fotos. 16.000 davon hat Burns gefilmt und 3.000 schließlich für seinen Film verwandt. Noch bemerkenswerter als die enorme Fülle an Dokumenten ist jedoch die Art, wie Burns sie mit (wenigen) Statements von Historikern und heutigen Bildern der ehemaligen Kriegsschauplätze zu einer Collage verbindet, die bereits nach wenigen Minuten einen Sog entfaltet, dem man sich nur schwerlich entziehen kann. In einer ausgeklügelten Mischung aus historischen Fakten, Anekdotischem und „Privatem“ wird das Material derart raffiniert dramatisiert, daß man meint, es mit bewegten Bildern zu tun zu haben. Burns schreckte selbst davor nicht zurück, einige Sequenzen mit nachempfundenen Sounds wie Kanonendonner oder Schreien von Verwundeten zu untermalen. Das mag man albern oder historisch bedenklich finden, aber die Souveränität, mit der diese Verfahrensweise hier gehandhabt wurde, ist allemal verblüffend. So entfaltet Burns das vielschichtige Panorama eines Krieges, der selbst schon traurige Rekorde brach. Zwischen 1861 und 1865 starben 600.000 Menschen.

Die Dokumentation beginnt mit den Ursachen des Krieges, einem Rückblick auf die Geschichte der Sklaverei, dem Überfall des legendären John Brown bei Harpers Ferry, der schließlich zum Auslöser des vier Jahre währenden Gemetzels wurde. Sie endet mit der Ermordung von Abraham Lincoln nach dem Sieg der Nordstaatem am 14.April 1865. Dazwischen werden „bedeutende“ Ereignisse (entscheidende Schlachten, politische Debatten etc.) „namenloser“ Soldaten gleichrangig neben den „geschichtsträchtigen“ Strategien der beiden hochdekorierten Generäle Robert E. Lee und Olysses S. Grant gestellt.

Fast die halbe Welt hat „The Civil War“ inzwischen gesehen, und dabei haben sich selbst in Ländern wie Bohuthatwana, Zypern oder auf den Seychellen Millionen von Fernsehzuschauern elf Stunden lang von jenem Krieg fesseln lassen, wovon sie bis dahin vermutlich allenfalls wußten, daß er irgendwann mal stattgefunden hatte. Daß jetzt mit Verspätung auch wir in den Genuß dieses inzwischen mit rund 40 internationalen Preisen ausgezeichneten Mammut- Projektes des (öffentlich-rechtlichen) US-Senders PBS kommen, ist dem Engagement von WDR und BR zu danken. Ihre gemeinsam erstellte deutsche Fassung dieses Fernsehereignisses ist von heute an in West3 zu sehen. Bayern3 startet am Samstag, hat jedoch einen entscheidenden Nachteil. Während die Kölner bis nächsten Samstag täglich eine Folge ausstrahlen (ein durchaus lobenswerter Kraftakt in puncto Programmplanung), zieht sich das Ganze bei den Bayern mit einem Häppchen pro Woche bis zum 21.November hin.

Aber selbst das sollte einen nicht davon abhalten, sich dieses seinerseits schon wieder geschichtsträchtige Stück Geschichts-TV zu Gemüte zu führen. Ein derartiges Spektakel, zu dem ein Kollege der Newsweek ein euphorisches „Hail and Hallelujah!“ aus der Feder rann, wird auf absehbare Zeit nicht wieder über deutsche Bildschirme flimmern. Reinhard Lüke

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