: Der Meister aller Hasen
■ Weltmeister Moses Kiptanui aus Kenia lief beim Grand-Prix-Sportfest in Zürich die Tempomacher platt und verbesserte den Weltrekord über 3.000 Meter Hindernis um mehr als drei Sekunden
Zürich (dpa) — Der „Hase“ trat verlegen auf der Stelle. „Unglaublich, verrückt, wie der Moses Kiptanui gelaufen ist“, meinte Tempomacher Mark Croghan verblüfft. Statt den 20jährigen Kenianer beim Grand- Prix-Meeting am Mittwoch abend in Zürich im 3.000-Meter-Hindernisrennen auf den Weg zum Weltrekord zu führen, sah der US-Läufer nach 1.300 Metern nur noch die Hacken Kiptanuis. „Der Hase war wohl platt“, wunderte sich der afrikanische Wunderläufer. Auch ohne Hilfe des Amerikaners hatte er mit 8:02,08 Minuten für einen phantastischen Zeitsprung gesorgt und nach dem Triumph festgestellt: „Es war ganz leicht.“ Fortsetzen will Kiptanui seine Rekordhatz bereits am 28. August in Brüssel: „Da will ich den Weltrekord über 5.000m brechen.“
Nur 75 Stunden nach seinem 3.000-m-Weltrekord von Köln sprang er im Züricher Letzigrund- Stadion fröhlich über die 28 Hindernisse, verbesserte die drei Jahre alte Marke seines Landsmannes Peter Koech — er trabte als Letzter ins Ziel — um sage und schreibe 3,27 Sekunden. Die Belastung von Köln hat Kaptanui einfach in den Kissen gelassen: „Seit Sonntag habe ich kaum trainiert und nur geschlafen.“
Weniger ausgeschlafen als der Mann aus Kenia war die Frau aus Jena: Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler hatte einen Durchhänger. „Es ist doch langweilig, wenn immer dieselbe gewinnt“, scherzte die 27jährige nach ihrer Niederlage. Inessa Krawetz (GUS) revanchierte sich mit ihrem 7,22-Meter-Siegessprung für die Niederlage gegen die Deutsche in Barcelona, wo sie nur mit 20 Millimeter Unterschied unterlegen war. Heike Drechsler setzte fünf 7-Meter- Sprünge in die Sandgrube, von denen der Weiteste bei 7,12 Meter endete. „Nach Olympia bin ich ziemlich geschafft“, erklärte Heike Drechsler, die aber immerhin Rivalin Jackie Joyner-Kersee (USA/7,03) auf Distanz hielt.
Diskuswerfer Lars Riedel revanchierte sich für die Pleite von Barcelona, wo er in der Qualifikation hängengeblieben war. Der 25jährige Weltmeister aus Mainz siegte mit 66,02 Meter vor Olympiasieger Romas Ubartas (Litauen/65,04). „Barcelona habe ich verdrängt. Es gibt Schlimmeres im Leben“, meinte Riedel hernach.
Den Ruf, der Größte unter den lebenden Athleten zu sein, genießt Carl Lewis auch auf dem Letzigrund, wo er die 100 Meter in 10,07 Sek. gewann. „In Barcelona hätte ich mit dieser Form doch sehr gut abgeschnitten“, freute sich Lewis, der sich für Olympia nur im Weitsprung qualifiziert hatte.
Knapp gescheitert ist die Rekordjagd von Noureddine Morceli über 1.500 Meter. Mit 3:30,75 Min. lief der algerische Weltmeister — er wurde bei der Olympiade lediglich Siebter — nur um 1,27 Sekunden am Weltrekord Said Aouitas (3:29,46) vorbei. In Grenzbereichen bewegt sich seit Wochen auch Colin Jackson. Der Brite, ebenfalls als Siebter ein Gestrauchelter von Barcelona, überwand die 110 Meter Hürden in 13,06 Sek. und blieb damit nur 2/100 Sekunden über seinem drei Tage alten Europarekord. Im Schlepptau von Jackson wurde Florian Schwarthoff (Heppenheim/13,21) Dritter.
Eine Spitzenleistung bot Dreisprung-Olympiasieger Mike Conley (USA), der mit 17,72 m den weitesten regulären Drei-Satz der Saison machte. Vier weitere amerikanische Olympiasieger sorgten mit tollen Zeiten für Aufregung. Quincy „Q“ Watts gewann die flachen 400 Meter in 43,83 Sekunden, über die gleiche Hürden-Distanz machte Kevin Young (47,70) seinem Ruf als der „Unschlagbare“ alle Ehre, und die 200 Meter stampfte Mike Marsh in 19,95 Sekunden herunter.
Männer, Hochsprung: 1. Javier Sotomayor (Kuba) 2,36 m; 800 m: 1. William Tanui (Kenia) 1:43,98 Minuten; 100 m: 1. Carl Lewis (USA) 10,07 Sekunden; 2. Olapade Adeniken (Nigeria) 10,12; 3. Leroy Burrell (USA) 10,21; Stabhochsprung: 1. Sergej Bubka (GUS) 5,90 m.
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