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Bäuerinnen dringen in Heeremans Reich ein

■ Kampagne zur sozialrechtlichen Gleichstellung der Bäuerin/ Frauen stören Gespannfahrerweltmeisterschaft

Riesenbeck (taz) — Das Gespann der Frauen paßte den Herren nicht: Kein herausgeputztes Viergespann, sondern ein Trecker mit Hänger, darauf jene Arbeitsgeräte, die die Bäuerinnen auf den Höfen täglich einspannen: Melkgeschirr und Waschmaschine, Kinderwagen und Küchenherd. Mit diesem „Gespann der besonderen Art“ waren etwa zwei Dutzend Bäuerinnen am Mittwoch zur Gespannfahrerweltmeisterschaft nach Riesenbeck im nördlichen Münsterland aufgebrochen. Auf dem Gelände des Bauernpräsidenten und Großgrundbesitzers Freiherr von Heereman wird die traditionelle Meisterschaft ausgetragen. Und Heereman galt der Protest. „Wir finden das Engagement des Herrn Heereman für den Pferdesport beeindruckend“, sagt Bäuerin Ulrike Völker aus Rheda-Wiedenbrück, „doch wir vermissen ein ähnliches Engagement für die eigenständige Sicherung der Bäuerinnen“. Die Bäuerinnen, die im Durchschnitt zwischen 70 und 80 Stunden in der Woche arbeiten, fordern eine eigenständige soziale Absicherung. Dazu gehört ein Altersgeld „in Höhe von mindestens der Hälfte der derzeitigen Leistungen für Verheiratete“ ebenso wie die gleichberechtigte Mitbestimmung in den Selbstverwaltungsorganen der Landwirtschaftlichen Kranken- und Alterskasse. Der Bauernverband, so die Forderung der protestierenden Frauen, müsse endlich seine „zögerliche Haltung“ aufgeben und aktiv werden. So rückten sie denn dem Freiherrn auf die „Bude“. Schnell war das Haupttor geöffnet und schon stand das ungewöhnliche Gespann mitten auf dem Veranstaltungsgelände. Dann kam der Herr, dem der Protest galt.

Zunächst einmal setzte der Junker, der sich wie ein Dressurpferd bewegt, die Pressefreiheit außer Kraft. „Ohne Mikro hier. Sorgen Sie dafür“, lautete die knappe Anweisung und schon war ein Kalfaktor zur Stelle, um der einzigen Rundfunkjournalistin den Saft abzudrehen. Den protestierenden Bäuerinnen kam der Herr jovialer. „Wenn ihr uns das eher gesagt hättet, hätten wir einen schönen Termin gemacht“. Doch jetzt müsse er das Programm abwickeln. Für „die meisten Dinge“ werde er sich ohnehin einsetzen. Vor drei Tagen habe ein Gespräch im Ministerium über die Problematik stattgefunden. Der Edelmann wörtlich: „Die Dinge laufen und die sind auch vorgebracht“. Das die Bäuerinnen demonstrieren findet der Präsident im Prinzip sogar „prima“, aber hier bei ihm auf dem Hof? Die sofort alarmierte Polizei muß nicht einschreiten. Die Frauen gehen freiwillig. Gemerkt haben sie sich den Heereman-Satz: „Für mich ist die bäuerliche Familie das A und O“. Vielleicht sollte Heereman sich den Protestsong der Bäuerinnen noch einmal anhören: „Das Altersgeld, das kriegt mein Mann, ich komm kaum an das Konto ran. Ich könnte niemals von ihm gehn, ich würde auf der Straße stehn. Die Partnerschaft, die oft beschworen, die geht hier voll und ganz verloren...“ Walter Jakobs

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