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Gifte auf die Äcker?

■ Erörterung zu Brunsbüttler Sondermüll-Anlage ohne Einigung

ohne Einigung

Am Wochenende ging im schleswig-holsteinischen Meldorf die einwöchige Erörterung zur geplanten Brunsbüttler Sonderabfall-Verbrennungsanlage (SAV) zu Ende, in der in Zukunft ein Großteil der Problemabfälle des nördlichsten Bundeslandes in Rauch aufgehen soll. Fazit der Bürger- und Expertenanhörung: Die Bedenken gegen die SAV konnten nicht ausgeräumt werden, die Planungen aber laufen mit Hochdruck weiter. 1995 soll die umstrittene Verbrennungsanlage, in der jährlich 35000 Tonnen Sondermüll verbrannt werden dürfen, ihren Betrieb aufnehmen.

Günther Dehoust vom Öko-Institut Darmstadt forderte als Gutachter des Kreises Dithmarschen eine getrennte Entsorgung verschiedener Sondermüllsorten, die bei der SAV nach Aufnahme ihres Betriebes angeliefert werden. Bei einer Verbrennung verschiedenster zusammengemischter Gefahrstoffe lasse sich weder vorhersagen noch kontrollieren, welche Gifte in welcher Konzentration aus den SAV- Schloten entweichen würden. Grund genug für Hans-Peter Stamp vom schleswig-holsteinischen Bauernverband, die geplante Anlage abzulehnen: „Die vielen unbekannten Gifte, die auf unseren Äckern niedergehen, sind eine Bedrohung für unsere Felder“.

Viele Fragezeichen gibt es auch beim Sicherheitskonzept der Anlage, das die Einwender als „äußerst dürftig“ charakterisierten. Für das Kieler Umweltministerium kein Grund, die Anlage in Frage zu stellen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei lediglich ein „Basiskonzept“ gefordert, das bis zur Inbetriebnahme der SAV ständig ergänzt werden könne und müsse.

Zum Eklat war es bereits am zweiten Tag der Anhörung gekommen, als die Mitglieder der Bürgerinitiativen die Meldorfer Dithmarschen-Halle unter Protest verließen. Der Grund: Die Versammlungsleitung weigerte sich, neuere Untersuchungen des Wasser- und Schiffahrtsamtes zur „Schadstoffvorbelastung“ der Brunsbüttler Böden zum Gegenstand der Debatte zu machen. Die Analysen hatten eine weit höhere Dioxin- und Schwermetall-Verseuchung des Elbvorlandes ergeben als die veralteten Messungen, auf denen das offizielle Umweltverträglichkeitsgutachten für die SAV basiert.

Die SAV-Kritiker beschuldigten die Landesregierung, die alarmierenden Giftwerte zurückgehalten zu haben, bis die Einwendungsfrist gegen die Verbrennungsanlage abgelaufen war. Ihren Antrag, den Erörterungstermin zur Schadstoffbelastung auszusetzen, bügelte der vom Gewerbeaufsichtsamt Itzehoe eingesetzte Versammlungsleiter ab, worauf sich die Meldorfer Halle unter lauten Empörungsrufen schlagartig lehrte. „Es macht keinen Sinn, sich über Gesundheitsfragen zu unterhalten, wenn die Daten zur Schadstoffbelastung der Böden in ihrer Höhe und räumlichen Begrenzung falsch sind“, begründet Ulrike Bainojan vom BUND den kollektiven Auszug der SAV-Gegner. Marco Carini

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