Bremen so blaß wie Riga spannend

■ Eine Live-Konferenz auf dem „Piazza Virtuale“

Viel zu sagen hatten die Bremer Teilnehmer dieser Live-Video- Konferenz am Samstag mittag im Programm von 3SAT nicht. Nette Grüße, ein Paar sehr offiziell klingende Beschwörungen der Freundschaft zwischen den beiden Städten. Dazu gab es Bilder von den Kirchtürmen, Straßenszenen aus dem Schnoor, ein Weserblick. Immerhin verkniffen sich die Mitglieder der Bremer Künstlergruppe Piazetta Telematica die technischen Kinkerlitzchen, mit denen sie ihre früheren Piazetten zu überladen pflegten, und selbst wenn die Sendung etwas professioneller durchgeführt worden wäre, hätte die lettische Seite sie mit der reinen Kraft ihrer Botschaften genauso in den Hintergrund gedrängt.

In Riga war dieses Programm keine elektronische Spielwiese für eine avandgardistische Minderheit. Es wurde im Fernseh- Hauptprogramm übertragen, und die Letten nutzten die Kameras und Mikrophone auf der Straße, um ihre Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen ungefiltert publik zu machen. Eine Russin brach da in Tränen aus, von „Unterdrückung“, der Notwendigkeit, „alles neu aufzubauen“ und den erschütternden Zuständen in den Krankenhäuser war die Rede. Die Bremer Seite konnte dagegen mit ihrem Hinweis auf die „Backsteingotik“, die in den alten Vierteln beider Städte vorherrscht, nur wenig Aufmerksamkeit erringen. Die Bilder aus Riga und Bremen waren zwanzig Minuten lang gleichzeitig und gleichgroß auf dem Bildschirm zu sehen, aber die Bremer war trotzdem fast nur Zaungäste. Oft wurden sie einfach ignoriert, und der lettische Sprecher oder der sehr kompetente Dolmetscher und Moderator in der Sendezentrale in Kassel kommentierten eine Trauerprozession für die Opfer der Unruhen, die direkt an der Kamera vorbeizog, oder sie beantworteten Fragen von Zuschauern, die die sich direkt über Telefon oder Computer ins Programm einmischen konnten. Den Beiträgen aus Riga gab ein dringendes Bedürfniss danach, der Rest der Welt mitzuteilen, wie es dort zugeht, eine extreme Schubkraft; in Bremen war dagegen zwar viel guter Wille, aber im Grunde doch eher der Spaß an den technischen Möglichkeiten solch einer Konferenzschaltung spürbar. Aber eine ebenso schöne wie spontane Kommunikation gab es doch: Im Bremer Studio begegnete die Lettin Lauma Zridrins plötzlich auf der Straße in Riga einen alten Bekannten: „Ich dachte, du wärst auch hier, aber jetzt treffen wir uns eben über Satellit“. Wilfried Hippen