: Sucht als Werbeknüller
■ Protest gegen Hella-holiker und einen milchsaufenden Juhnke
und einen milchsaufenden Juhnke
Wie geschmacklos darf Werbung sein, wie spießig die Kritik ihrer Gegner? Aktueller Anlaß für eine Neubelebung dieser Endlos-Debatte ist der neueste Gag der werbetreibenden Wirtschaft: Die kokette Anspielung auf den Alkoholismus.
„Seit ich trinke, geht es mir besser“, und „Ich trinke schon vor der Schule“ heißen etwa die Slogans, mit denen die Rellinger Firma „Nord-Getränke“ für ihr Kribbelwasser „Hella“ wirbt. Für Silke Schwartau von der Hamburger Verbraucherzentrale sind diese Aussagen „dazu geeignet, Alkoholkonsum mit einem positiven Image zu versehen“. Täglich, erzählt die Verbraucherschützerin, würden sich bis zu 50 Angehörige oder Bekannte von Alkoholkranken bei ihr über den süffigen Werbegag beschweren. Die Verbraucher-Organisation forderte den Getränkehersteller auf, in Zukunft nicht mehr mit dieser doppeldeutigen Kampagne seine Mineralwässerchen zu trüben.
Diese Forderung dürfte bald auch der Deutsche Werberat, die freiwillige Selbstkontrolle der reklametreibenden Wirtschaft erheben. Das Gremium hat den Getränkehersteller aufgefordert, bis zum morgigen Donnerstag schriftlich Stellung zu seinen flotten Trinksprüchen zu nehmen. Danach wird der Rat bis Mitte September darüber entscheiden, ob er dem Rellinger Unternehmen nahelegt, die PR-Kampagne einzustellen. Werberats-Sprecher Volker Nickel: „Da hier Slogans verwendet werden, die dem Mißbrauchsbereich zugeordnet werden können, ist eine solche Empfehlung wahrscheinlich.“ Nach Auskunft von Nickel würden zwei Drittel der Werberats-Rügen zu einer Sofort-Beendigung der monierten Kampagne führen, da die Firmen sonst mit Negativ-Schlagzeilen zu rechnen hätten.
Auch für den Milchabfüller Müller ist die Anspielung auf die Alkoholsucht ein Werbeknüller. Die süddeutsche Firma läßt in ihrer Fernseh-Reklame die am Milchglas nuckelnde TV-Schnapsnase Harald Juhnke den Satz „Und ich trinke noch immer dieses Zeug“ in die Kamera sprechen. Für den Norderstedter Pastor Joachim Tegtmeyer ein „Gag gewissenloser Werbeleute, auf Kosten alkoholabhängiger Menschen“. Marco Carini
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