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BUND: Umweltminister konfliktscheu

■ AKW Obrigheim trotz Sicherheitsmängel genehmigt/ Baden-Württemberg kneift vor Töpfer

Berlin (taz) — Heftig kritisiert wird vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) der baden-württembergische Umweltminister Harald Schäfer. Bei der kürzlich erfolgten Betriebsgenehmigung für das Atomkraftwerk Obrigheim habe er gegenüber der Atomlobby klein beigegeben und „den grundgesetzlichen Anforderungen an Schutz von Leben und Gesundheit nicht genüge getan“.

Der BUND-Landesverband forderte erneut die Stillegung des umstrittenen Reaktors, der 24 Jahre lang ohne eine ausreichende Genehmigung gelaufen war.

Als „vorauseilenden Gehorsam“ gegenüber dem vorgesetzten Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) bezeichneten die Naturschützer das Verhalten des Sozialdemokraten Schäfers, der selbst als ein Gegner der Atomkraft gilt. Im Unterschied zu den Umweltministern von Hessen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen scheue er den atomrechtlichen Konflikt mit Bonn. Einen Grund hierfür sieht der BUND in den Koalitionsvereinbarungen von SPD und CDU in Baden-Württemberg.

Bei der von Schäfers Ministerium durchgeführten Sicherheitsprüfung hätte nach BUND-Ansicht der heutige Wissensstand über die Gefahren von Atommeilern maßgebend sein müssen. Dann wäre aufgrund erheblicher Mängel nur die Abschaltung des Reaktors übriggeblieben. Schäfer hatte statt dessen die atomrechtlichen Bestimmungen von 1968, dem Jahr, als Obrigheim in Betrieb ging, als relevant angesehen.

Auch an den Bedingungen, die der Minister mit seinem Segen für das AKW verknüpfte, läßt der Verband kein gutes Wort. Landesgeschäftsführer Erhard Schulz: „Es sieht alles danach aus, als ob die Auflagen im Einvernehmen mit dem Betreiber vorabgesprochen und auf machbare Auflagen beschränkt sind.“ So sei die Sicherheit gegen Flugzeugabstürze nicht zur Voraussetzung für die Erteilung der Dauergenehmigung gemacht worden, da sie laut einem TÜV-Gutachten bei dem Uralt- AKW nicht machbar sei.

Als falsch bezeichnete der Verband auch die Darstellung des Umweltministers, er könne Obrigheim nicht stillegen, da keine erhebliche und akute Gefahr drohe. Die Naturschützer verweisen dabei auf Probleme im Sicherheitssystem des Atommeilers und seiner Lage in einem potentiellen Erdbebengebiet. Daher habe das Land nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, das Kraftwerk sofort stillzulegen.

Auch die zu befürchtenden Entschädigungsforderungen in einer geschätzten Höhe von dreihundert Millionen Mark dürften kein Argument für einen Sicherheitsrabatt sein. Bei einem Atomunglück drohe, abgesehen von den Folgen für die Bevölkerung, ein maximaler volkswirtschaftlicher Schaden von mehreren tausend Milliarden Mark. Udo Bünnagel

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