Riskantes Spiel

■ Im Libanon ließ Syrien Wahlen abhalten, um langfristig seinen Einfluß zu sichern

Riskantes Spiel Im Libanon ließ Syrien Wahlen abhalten, um langfristig seinen Einfluß zu sichern

Syriens Staatschef Hafis el-Assad liebt eindeutige Wahlergebnisse. Alle sieben Jahre läßt er sich mit 98,99 Prozent der Stimmen für eine weitere Amtsperiode zum Präsidenten küren. Weite Teile der syrischen Bevölkerung werden daher mit Bitterkeit registriert haben, daß die Regierung in Damaskus in dem von ihr teilweise besetzten und politisch dominierten Libanon auf Teufel komm raus Wahlen durchgezogen hat, bei denen konkurrierende politische Kräfte auftraten.

Zunächst einmal springt das gute Abschneiden der von Iran unterstützten Hizballah in der ostlibanesischen Bekaa-Ebene ins Auge. Die „Partei Gottes“, die in der Vergangenheit für die Entführung westlicher Ausländer verantwortlich gemacht wurde, hat bei der ersten Runde der Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag ihren Platz im politischen System des Landes erobert. Sie war die einzige Partei, die mit einem Programm antrat, und mag für weite Teile der schiitischen Bevölkerung auch deshalb attraktiv gewesen sein, weil sie mit finanzieller Hilfe aus Teheran konkrete Arbeit im sozialen Bereich leistete. Hinzu kommt, daß außer ihr niemand mehr den bewaffneten Kampf gegen die israelische Besatzung im Südlibanon propagiert.

Für die Syrer ist der Wahlsieg von Hizballah, die zu Teheran mindestens so gute Kontakte unterhält wie zu Damaskus, ein Schuß vor den Bug. Zwar können sie auch im neuen Parlament mit einem festen Block getreuer Gefolgsleute rechnen. Aber die Schlappe von Regierungskandidaten und die extrem niedrige Wahlbeteiligung zeigen das hohe Maß an Resignation und Unzufriedenheit — nicht nur unter den Christen, die zu einem Boykott aufgerufen hatten — mit der Regierung in Beirut und letztlich auch der Politik Syriens, das nach wie vor 40.000 Soldaten im Land stehen hat. Die geringe Wahlbeteiligung ist auch Wasser auf die Mühlen der Opposition und wirft zusätzlich die Frage auf, wie repräsentativ das neue Parlament eigentlich sein wird. Das allerdings dürfte den Machthabern in Damaskus ziemlich egal sein.

Syrien selbst hatte auf der Abhaltung der Wahlen zum jetzigen Zeitpunkt insistiert. Es wäre ein erheblicher Gesichtsverlust gewesen, hätte die Regierung in Beirut den zweiten und dritten Urnengang abgesagt, um doch noch einen Kompromiß mit den Christen zu erzielen. Im Taif-Abkommen von 1989 hat sich Syrien zur Durchführung von Wahlen zu einem unbestimmten Zeitpunkt und zu einer Reduzierung seiner Truppen spätestens zum Jahresende verpflichtet. Mit dem Urnengang vor dem Abzug von Truppenteilen wollte Assad nun sicherstellen, daß der Wiederaufbau des Libanon so verläuft, wie er es sich vorstellt. Ein riskantes Spiel: unter den gegebenen Verhältnissen drohen die Wahlen die Spaltungen aus den Zeiten des Bürgerkrieges weiter zu vertiefen. Beate Seel