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Asylrechtsänderung: „Je schneller, desto besser“

■ Für Kanzleramtsminister Bohl kann die Einschränkung des Asylrechts gar nicht schnell genug in Kraft treten/ Justizministerin hält Grundgesetzänderung noch in diesem Jahr für unrealistisch/ Position der SPD weiter ungeklärt/ Thierse fordert reduzierte Asylbewerberquoten für die neuen Länder

Rostock wirkt — die Einschränkung des Asylrechtes scheint beschlossene Sache. In Bonn stritt die Regierungskoalition gestern nur noch darüber, wie schnell man die Sache über die parlamentarische Bühne bringen kann: „Es geht um Wochen, man kann nicht mit Monaten rechnen“, verkündete Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) die Zeitvorstellungen der Union. Gebremst wurde er jedoch von Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die eine Grundgesetzänderung in diesem Jahr für unrealistisch erklärte.

Dem widersprach ihr Parteikollege Hermann Otto Solms: Die Asylrechtsänderung hänge allein daran, wieweit die SPD nun zu einer entscheidungsfähigen Vorlage komme. „Wir sind minütlich und stündlich bereit, mit der SPD über eine inhaltliche Ausgestaltung einer solchen Verfassungsänderung zu reden. Je schneller das machbar ist, desto besser“, erklärte FDP-Fraktionschef Solms. „Wenn es geht, natürlich noch in diesem Jahr.“

Die Justizministerin forderte hingegen „endlich das von allen Parteien getragene, kürzlich verabschiedete Asylverfahren-Beschleunigungsgesetz in ausreichendem Umfang“ umzusetzen. Die FDP sei jedoch grundsätzlich bereit, in Vorbereitung einer europäischen Regelung über eine Grundgesetzänderung zu reden. Die von der Union eingebrachten Vorschläge, so die Justizministerin, seien jedoch nicht konsensfähig.

Bleibt der Dritte im Bunde, die SPD: Zumindest bei den Sozialdemokraten scheinen die Rostocker Ausschreitungen nicht umstandslos als Aufforderung zur schnellen Grundgesetzänderung interpretiert zu werden. Auch der am letzten Wochenende gefaßte Beschluß der Parteispitze, der Regierungskoalition mit einer Zustimmung zur Grundgesetzänderung entgegenzukommen, bleibt in der Partei umstritten. „Das ist noch längst nicht durch“, erklärte gestern der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerd Weisskirchen. Nach wie vor bestehe erheblicher Klärungsbedarf, was genau auf dem Petersberg beschlossen worden sei. Auch der innenpolitische Fraktionssprecher Wartenberg, der eine Grundgesetzänderung befürwortet, sieht noch erheblichen Diskussionsbedarf innerhalb der Fraktion.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse forderte erneut, die Zuweisungsquote für Asylbewerber in den neuen Ländern zu senken. Es gelte mehr Behutsamkeit zu entwickeln, die Menschen im Osten nach und nach an die Begegnung mit Ausländern heranzuführen.

Laut Kanzleramtsminister Bohl ist freilich die Stimmung gegen Asylbewerber in den alten Bundesländern „keineswegs besser“ als in den neuen. Vor diesem Hintergrund dürfe die Grundgesetzänderung nicht „auf die lange Bank geschoben“ werden. Sie werde einen wesentlichen Beitrag leisten, den „Nährboden für Gewalttäter auszutrocknen“.

Die Grünen warfen führenden Politikern der Bundesregierung und der SPD vor, für die Krawalle in Rostock mitverantwortlich zu sein und sie für die angestrebte Einschränkung des Asylrechts zu mißbrauchen. „Ihnen kommen die Ausschreitungen vielleicht nicht gelegen, aber Sie machen sie sich als Instrument für Ihre Abwehrpolitik gegen Ausländer zunutze“, erklärte der Sprecher von „Pro Asyl“, Herbert Leuninger. „Das ist der eigentliche politische Skandal.“ Es gebe eine „gewisse Komplizenschaft“ zwischen den rechtsradikalen Krawallmachern und Politikern, deren Ziel die Abschreckung weiterer Flüchtlinge sei.

Die Organisationen riefen zu einer „großen Koalition für Flüchtlinge“ und zu Demonstrationen auf, mit denen die Solidarität mit den in Deutschland lebenden Ausländern bekundet werden soll. eis/dpa

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